Inhalt: Herrschaftsformen
1914 sind in Europa viele Grossreiche am zerbrechen. Die Türkei folgte
auf das riesige Osmanische Reich, Oesterreich-Ungarn zerfiel in mehrere Teile,
an vielen Orten wurden die feudalen Überbleibsel aus dem Mittelalter
nicht zuletzt in Form der Könige hinweggefegt. In Deutschland wurde
Wilhelm II. vertrieben - was insofern eine enorme Symbolik besass, als das
Deutsche Reich einst als das heilige römische Kaiserreich deutscher
Nation die Vorherrschaft über andere Könige für sich beanspruchte!
Doch es gab weiterhin viele (adlige) Monarchisten, die befürchteten,
ihrer Privilegien verlustig zu gehen und sich deshalb gegen die neuentstandene
Weimarer Republik wehrten.
Insofern kann der Erste Weltkrieg als der Abschluss der Gedanken der Französischen
Revolution gelten. Aus den Ruinen des Ersten Weltkrieges entstanden drei
vorherrschende neue politische Staatsformen - die demokratisch legitimierte
Republik, die sozialistische Sowjetmacht und der faschistische Staat - die
sich alle klar vom
Feudalismus abgrenzten. So ersetzte Hitler in Deutschland den Monarchen,
die Bolschewisten lösten in Russland das Zarenreich ab ("Zar" - vom
römischen "Caesar", dem deutschen "Kaiser"), als berühmteste Republik
enstand diejenige von Weimar 1918. (Vergleichen Sie dazu die Karten im dtv-Atlas
Band 2 S. 138)
Nach dem Krieg waren viele Staaten (selbst Sieger - Bsp. Italien) stark
geschwächt und mussten sich auf alle Seiten verteidigen. Die Angst vor
kommunistischen Revolutionen, die vielerorts gravierenden sozialen Probleme
und die nach einem starken Monarchen oder Führer schreiende Rechte machten
es den jungen Demokratien fast unmöglich, sich zu entfalten. Konnten
sie die Probleme aber nicht innert nützlicher Frist beheben, stieg die
Gefahr, dass sich zumindest eine grosse und starke Minderheit zurück
nach dem König sehnte. Eine spezielle Situation war in Deutschland entstanden,
wo der Kaiser Wilhelm II. für das starke Vorkriegsdeutschland stand,
die Republik beschuldigt wurde, schuld an der Kriegsniederlage gewesen zu
sein und mit den Nationalsozialisten eine Gruppierung entstand, die dem verstaubten
Image des Monarchen eine moderne, starke Führerpartei entgegensetzte.
Bevor die Nationalsozialisten an die Macht gelangten stand dem Land mit Paul
von Hindenburg zudem weiterhin ein alter Adliger vor!
Neu am Faschismus war, dass sich ein allmächtiger Bürger an die
Stelle des Monarchen stellte. Der Feudalismus war mit dem Faschismus definitiv
abgeschafft: Hitler zum Beispiel war nicht wegen hoher Geburt (er war ein
Beamtensohn), sondern wegen seines unermüdlichen Kampfs und der zumindest
partiellen Unterstützung durch das Volk zum absoluten Herrscher aufgestiegen
(die Monarchen waren von Gott eingesetzt, Hitler musste für sich eine
neue Legitimation suchen). Insofern war er ein bürgerlicher Diktator,
der die bisher bestehende Ständeordnung im Gegensatz zu sozialistischen
Gedanken nicht in einem Klassenkampf aufhob, sondern durch das Ersetzen der
Klasse durch die "Rasse". Man gehörte nicht mehr zu einer privilegierten
Schicht, weil man als Adliger geboren wurde, sondern weil man als Deutscher
geboren wurde.
Dieser "Rassismus" war die Konsequenz der in Europa zu dieser Zeit vorherrschenden
gesellschaftlichen Theorien - wie zum Beispiel des Sozialdarwinismus ("survival
of the fittest"), der Eugenik ("reine" Gene sollen gefördert werden)
oder der physischen Anthropologie (Vermessung des Menschen - Bestimmen von
Rassen). Hitler bastelte sich aus solchen Elementen in seinem Buch "Mein
Kampf" eine Ideologie zusammen, die die Vorherrschaft der deutschen Rasse
besonders vor der jüdischen und slawischen Rasse vertritt. Die "arische"
(deutsche) Rasse sei zur Weltherrschaft bestimmt und wenn sie sich nicht
gegen die Minderwertigen wehren würde, würden auf dieser Erde bald
nur noch solche leben. Doch noch war Zeit um zu kämpfen. "Survival of
the fittest" hiess die Parole (ursprünglich von Herbert Spencer formuliert)
- "Überleben der Tauglichsten" oder in falscher Übersetzung "Überleben
der Besten". Der einfachste Weg um zu zeigen, dass man eben tatsächlich
"die Besten" war, bestand darin, dass man die "minderwertigen" Völker
bekriegte oder gar vernichtete und im Gegenzug dazu, das deutsche Blut "reinhielt".
Deutschen Frauen wurde es untersagt, sich mit nichtdeutschen Männern
einzulassen, sie wurden sogar dazu angehalten - ob verheiratet oder nicht
- sich mit SA-Mitgliedern zu paaren, um so möglichst viele starke Deutsche
zu gebären! Der Mensch war nicht mehr ein Individuum, sondern musste
sich in jeder Hinsicht den "höheren Zielen" des Staates unterwerfen.
So wurde denn der Vergleich angstellt, dass der Krieg für den Mann dasselbe
sei wie die Mutterschaft für die Frau...