Inhalt: Der Krieg gegen den Terror

Donald Rumsfeld liess einst verlauten, dass die Gefangenen in Guantanamo, die von der Bush-Regierung nicht als Menschen angesehen werden (für sie gelten weder Menschenrechte noch andere Rechte), bis zum Ende des Kriegs gegen den Terror eingesperrt bleiben würden, da man sie ja nicht wieder als Kämpfer sehen wolle. Dies obwohl sie ihrer Verfehlungen nicht überführt sind und wohl viele Unschuldige inhaftiert sind.
Doch mit Rechtsverständnis muss man George W. Bush und seiner Crew nicht kommen - Bush meinte ja einst, dass es schon einfacher wäre als Diktator zu regieren. Und da er ja bisher noch keine Fehler gemacht hat und seine Regierung in guter bolschewistischer Manier, weiss wie die Zukunft ausschauen wird, muss man ihnen nur vertrauen und es wird alles gut kommen. Und wer zweifelt - wird sofort als Antiamerikaner oder Landesverräter hingestellt...
Man liest in letzter Zeit viel über ein mögliches amerikanisches Imperium und es gibt kaum noch Zweifel, dass Bushs Hauptgrund für den Irakkrieg tatsächlich in diese Richtung zu suchen ist: Sollte Amerika sicherer werden, muss die Region im Nahen Osten stabilisiert werden. Das würde zudem Israel Sicherheit garantieren und den Ölfluss sicherstellen. Eine Welt ohne dem "Middle East" - oder zumindest mit proamerikanischen Herrschern würde Amerikas Macht und Sicherheit garantieren. Dieser neokonservative Gedanke leuchtet mir durchaus ein, nur bezweifle ich stark, dass mit der momentanen US-Politik der nahe Osten sicherer wird. Und: damit diese Vision Wahrheit werden würde, müssten zumindest Syrien und der Iran noch "fallen" - was im Oktober 2003 auch offensichtlich die Bestrebung Bushs ist. Doch hat dieses wahrlich grosse Konzept Chancen auf Erfolg?

Im Iran gibt es starke reformerische Stimmen, die immer wieder gewisse Erfolge hatten, bevor sich das Rad wieder in Richtung der konservativen Geistlichen um Revolutionsführer Chomeini drehte. Auch Syrien hat grosse Schritte in Richtung offenerer Gesellschaft gemacht, in beiden Ländern gibt es positive Entwicklungen, die aber nur langsam vorankommen und wie eine junge Blüte geschützt werden müssen.
Mit seiner kulturellen Ignoranz und seiner militärischen Übermacht ist die amerikanische Regierung auf dem besten Weg, diese Blüte zu zerstören. Noch nie hat ein koloniales Regime den Kolonialisierten Glück gebracht. In einer Stammesgesellschaft kann eine Demokratisierung vielleicht gefördert, aber niemals von aussen aufgedrückt werden. Vielmehr wird dieser Versuch extremistischen Gruppierungen Zulauf geben, die zwar nur eine kleine Minderheit sind, aber genügend Macht entfalten können, um jeglichen Frieden, jegliche Demokratisierung im Keime zu ersticken.
Bushs Politik gegen den Terror ähnelt in vielen Aspekten derjenigen von Ariel Sharon, der jedoch ganz andere Ziele zu verfolgen scheint. Sharon geht es darum, möglichst viel Land und die wichtigsten Wasservorräte für Israel zu sichern. Dies kann er auf dem Verhandlungsweg nicht erreichen, weshalb er bei jeder Gelegenheit den Terror provoziert. Noch nie gab es solche Gewalt gegen Israel wie unter Sharon. Trotzdem vertrauen ihm die Menschen in Israel mehr als früheren Politikern der Arbeitspartei, was einer gewissen Ironie nicht entbehrt. Eine Mehrheit der Israeli wäre Umfragen zufolge für einen Rückzug Israels aus dem Westjordanland - unter der Voraussetzung, dass die palästinensischen Selbstmordattentate gestoppt wären. Sharon muss also den Konflikt am Leben erhalten, um die Palästinenser auf militärischem Weg besiegen zu können - was wohl im Endeffekt auf eine Vertreibung oder zumindest eine Ghettoisierung herauskommen wird. Welche Tragik der israelischen Geschichte!
Bushs Ziele sehen dagegen ganz anders aus. Der Nahe Osten sollte tatsächlich befriedet werden, um machtpolitische Vorteile für die USA zu bringen. Und er glaubt fest daran, dass das mit militärischen Mitteln gelingen kann. Und hier besteht auch wieder eine Gemeinsamkeit mit Ariel Sharons Politik: der Krieg gegen den Terror dient als rhetorisches Mittel, um andere Ziele durchzusetzen. Peter Pilz schreibt in seinem Buch "Mit Gott gegen alle" auf Seite 68: "Der Krieg gegen den Terrorismus hat einen doppelten Vorteil: Militärisch kann er nie verloren werden. Terroristen können verletzen, aber nicht siegen. Und: Es besteht kaum eine Gefahr, dass der neue Krieg mit militärischen Mitteln gewonnen wird. Ein Staat nach dem anderen kann bombardiert, ein Regime nach dem anderen ausgewechselt werden - die Terroristen bleiben erhalten." Vielleicht sollten wir in Zukunft den "Krieg gegen den Terror" mehr aus dieser Perspektive betrachten. Terror ist nicht immer illegitim - selbst Israel und die USA existieren nur weil sich ihre Führer gegen die herrschende Macht auflehnten (USA-England) oder sich selbst des Mittels des Terrors bedienten (Israel). Und genauso ist der Krieg gegen den Terror nicht per se legitim.
Martin Rey, Mitte Oktober 2003