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das

Worum geht es beim Katalonien Konflikt?

Dieser Tage scheint Katalonien im Mittelpunkt der Welt zu stehen. Zumindest aus Sicht vieler Katalanen. Für Aussenstehende ist es schwierig, die Gefühle nachzuvollziehen, um die es vielen Katalanen geht. Die fehlende Aufarbeitung der spanischen Geschichte, insbesondere der faschistischen Diktatur General Francos. Die zumindest gefühlte ungerechte Behandlung durch die spanische Regierung. Der jahrzehntealte Konflikt zwischen Kastilen und Katalanen. Der ungerechte Finanzausgleich, die als mangehalft erachtete Autonomie etc. Die vorsichtigen Formulierungen sind hier bewusst gewählt – denn erstaunlicherweise handelt es sich bei den meisten Punkten um Dinge der Vergangenheit oder um Elemente, die sehr unterschiedlich eingeschätzt werden können.

Unterdrückung
Vergleicht man die Behandlung der Katalanen durch Spanien mit anderen unterdrückten Völkern, scheint doch alles sehr relativ zu sein. Die Katalanen werden nicht vertrieben wie die Rohyngia, es gibt keine so offene Unterdrückung der eigenen Kultur wie damals im Kosovo, die Katalanen sind wirtschaftlich erfolgreich, dürfen in Schulen ihre eigene Sprache sprechen, lernen und lehren, haben eine eigene Verwaltung, eigene Polizei, rein katalanische Fernsehsender etc. Unterdrückung sieht anders aus – auch wenn man gerne noch mehr Freiheiten hätte.

Verfassung

Gerne wird betont, dass der heutige Konflikt mit der Kassierung von Verfassungszusätzen begonnen hat, die den Katalanen bereits zugesagte Autonomie wieder entzogen habe. Das zuständige Verfassungsgericht sei damals auch nicht korrekt zusammgesetzt gewesen – 4 Posten seien verwaist und die Richter parteiisch gewesen.

Ohne dies wirklich beurteilen zu können, gilt es festzuhalten, dass von 223 eingeklagten Artikeln nur 14 für verfassungswidrig erklärt wurden. Ganz so skandalös scheint es also auch hier nicht gewesen zu sein.

Rechtsanspruch auf Unabhängigkeit 1
All diese Punkte sprechen eine klare Sprache: einen völkerrechtlichen Anspruch auf Unabhängigkeit haben die Katalanen zweifelsohne nicht. Da auch die spanische Verfassung (die die Katalanen mit unterzeichnet haben) eine Unabhängigkeit nicht vorsieht, gibt es zurzeit keinen Rechtsanspruch auf Unabhängigkeit – ausser das famose Referendum vom 1. Oktober.

Das Referendum vom 1. Oktober 2017

Dieses war nur begründet durch ein Gesetz des katalanischen Lokalparlaments. Hätte es sich bei dieser Abstimmung um eine reine Umfrage gehandelt, wäre wohl gar nichts geschehen. Da aber der katalanische Präsident Carles Puigdemont die Frage mit der automatischen Ausrufung der Unabhängigkeit verknüpft hatte, war die Abstimmung eindeutig illegal und wurde deshalb auch von der spanischen Polizei zu unterbinden versucht (was politisch wohl nicht geschickt war). Dass es dabei zu regelrechten Prügelorgien durch die Polizei gekommen sein soll ändert an diesem Sachverhalt nichts: zum einen scheint es sehr viel weniger Verletzte gegeben zu haben als von katalanischer Seite behauptet wurde, zum anderen hatte die Polizei das Recht, die Abstimmung zu unterbinden – vergleichbar mit einer illegalen Demonstration, wo es auch immer wieder zu massiver Gewalt von beiden Seiten kommt.

Das Resultat der Abstimmung erschien allerdings eindeutig: 90% der abgegebenen Stimmen votierten für ein Ja. Bloss sagt diese Zahl wenig aus. Da die Abstimmung illegal war, haben die meisten Gegner schlicht nicht teilgenommen – eine Teilnahme hätte die Abstimmung legitimiert. Die hohe Zahl von Stimmabstinenz (nur rund 42% haben abgestimmt, so man den Zahlen glauben kann) lässt sich so erklären. Dass manche auch von der Polizei an der Stimmabgabe gehindert und einige Urnen konfisziert wurden ändert am Grundresultat nicht wirklich etwas, zumal es nicht wenige Fälle gegeben zu haben scheint, wo Stimmen doppelt und mehrfach abgegeben wurden.

90 Prozent von 42 Prozent sind ca. 38 Prozent. Dass die katalanische Lokalregierung dies als ein eindeutiges Ja interpretierte ist offensichtlich stossend. Zumal bisherige Umfragen stets eine ungefähre Pattsituation ergeben hatten. Eine eindeutige Mehrheit für die Unabhängigkeit gibt es in Katalonien nicht – wohl nicht zuletzt deshalb, weil auch viel Spanier und Nichtkatalanen in Katalonien leben.

Rechtsanspruch auf Unabhängigkeit 2
Man kann es drehen und wenden wie man will, es gibt schlicht keinen Rechtsanspruch für Unabhängigkeit der Katalonen. Dazu kommt, dass Sezessionen nur in Extremfällen gewährt werden, weil sonst gerade in Europa ein Flächenbrand entstehen könnte. Wenn die Katalanen dürfen, warum dann nicht die Basken, die Flamen, die Norditaliener (Padanien)? Mit der Unabhängigkeit des Kosovo wurde hier ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen, aber eine Unabhängigkeit Kataloniens lässt sich ebensowenig mit der damaligen Situation im Kosovo vergleichen – wo in Jugoslawien ein jahrelanger Krieg geherrscht hatte, Jugoslawien sich bereits zu grossen Teilen aufgelöst hatte und wo es zu ganz anderen Formen von Unterdrückung gekommen ist.

Hätte Katalonien als eigener Staat eine Zukunft?

Doch vergessen wir das alles einmal. Wie sähe denn die Zukunft eines neuen Staates Katalonien aus? Dieser würde automatisch nicht Teil der EU sein, hätte damit kein einziges Handelsabkommen und würde vermutlich nur von ganz wenigen Staaten weltweit als unabhängiger Staat anerkannt, weshalb ein Staat Katalonien komplett isoliert wäre. Eine Integration würde von vielen Staaten Europas unterlaufen, da sie selber mit Sezessionsbestrebungen zu kämpfen haben, ein Exodus von Firmen, wie sie bereits begonnen hat wäre logische Folge. Auch als Steuerparadies hätte Katalonien keine Chance, da dazu Stabilität und ein funktionierendes Finanzsystem Voraussetzungen sind. Mit dem Euro wäre das nicht zu machen, zumal die EU bereits betont hat, keinen weiteren Nicht-Euro-Staaten mehr die faktische Verwendung des Euro zu erlauben (wie es heute Montenegro tut).

Fazit

Zum Zeitpunkt, wo dieser Artikel verfasst wurde ist unklar, wie es weitergeht. Der spanische Präsident Mariano Rajoy hat dem katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont ein fünftägiges Ultimatum gestellt, das noch nicht verstrichen ist. Erklärt letzterer die definitive Unabhängigkeit, wird Spanien wohl aufgrund des Verfassungsartikels 155 die Kontrolle über Katalonien übernehmen und die lokale Verwaltung entmachten. Verzichtet er auf die Ausrufung der Unabhängigkeit besteht die Hoffnung, dass über mehr Autonomierechte verhandelt werden könnte. Dazu ist Spanien aber nur bereit, wenn die Unabhängigkeitsforderung vom Tisch ist – denn darüber wird definitiv nicht verhandelt und dies völlig zu Recht, weil es hier nichts zu verhandeln gibt.

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