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das

Thiel bei Schawinski – eine Realsatire

In der Ausgabe 48/2014 der Weltwoche schrieb der Satiriker Andreas Thiel eine Streitschrift gegen den Koran, die heftige Reaktionen auslöste. Am 15. Dezember trat Thiel dann bei der Talkshow von Roger Schawinski auf – und das Gespräch eskalierte. Inhaltlich war der Talk wenig interessant, es ist aber durchaus lehrreich, ihn zu analysieren. Was war geschehen?

Das Gespräch begann mit der obligaten Frage von Schawinski, wer der Gast denn eigentlich sei: „Zuerst einmal die Frage an dich: wer bist du?“. Thiel antwortete mit „ich bin der Andreas – und wer bist du?“. Diese eigentlich offensichtliche Gegenfrage brachte Schawinski bereits aus dem Konzept. Seine Reaktion: „Ich stelle die Fragen“ wirkte wenig souverän. Thiel hatte es mit seinen ersten acht Worten geschafft, den erfahrenen Talkmaster ins Schleudern zu bringen. Die Frage war aber durchaus berechtigt. Thiel wies darauf hin, dass Schawinski ihm die Fragen stellen werde und er deshalb wissen möchte, wer der Fragesteller sei.

Als Nächstes fragte Thiel Schawinski, ob er Jude sei. Da es bei der Talkshow um den Koran und den Islam gehen sollte, war die Frage durchaus von einer gewissen Relevanz. Thiel fragte dann zusätzlich: „Bist du jetzt eher so ein „Papier-Jude“ oder ein Agnostiker-Jude oder ein gläubiger Jude.“ Schawinski reagierte mit „das geht dich in dem Moment nichts an“ – und bezichtigte Thiel nach der Sendung wegen dieser Frage des Antisemitismus. Betrachtet man die Frage aber aus dem Kontext heraus, ist dies offensichtlich ein nicht haltbarer Vorwurf. Schawinski wollte mit Thiel über den Koran und den Islam sprechen und da ist es natürlich von Bedeutung, ob Schawinski Jude sei und ob Schawinski ein gläubiger Mensch sei oder nicht. Zugleich handelte es sich aber wohl auch um eine bewusste Provokation, da Thiel damit rechnen konnte, dass Schawinski bei dieser Frage die Fassung verlieren würde. Ziel erreicht.

Im Verlauf des weiteren Gesprächs blieb Thiel ruhig, Schawinski ereiferte sich immer mehr, weil Thiel kaum auf die Fragen des Gastgebers einging. Allerdings liess Schawinski Thiel oftmals auch nicht ausreden und griff ihn auch mit unlauteren Mitteln an – was diesen kaum aus der Fassung brachte, selbst als ihn Schawinski offen als Rassisten brandmarkte. Dieser Vorwurf basierte auf einem einzigen, verkürzten Zitat aus dem Jahre 2012 (vgl. unten), was vor allem deshalb spannend ist, da Schawinski Thiel insbesondere vorwarf, dass dessen Kritik am Islam und am Koran wesentlich darauf basiere, nur einzelne Stellen des Koran zu zitieren und diese aus dem Zusammenhang zu reissen.

Schawinski wurde provoziert, provozierte aber nicht minder. Zugute halten kann man ihm, dass er durchaus auch emotional beteiligt die Ansicht vertrat, dass der gross aufgemachte Titel Thiels in der Weltwoche den Religionsfrieden stören könnte. Schawinski warf Thiel sogar vor, einen Religionskrieg provozieren zu wollen. Allerdings stellt sich die Frage, ob das gegenteilige Vorgehen erfolgsversprechender ist: auf jegliche Provokation zu verzichten und damit auch zu verschweigen, dass es im Koran problematische Stellen gibt. Soll man einfach „kuschen“ oder den Tatsachen in die Augen schauen? Welche Strategie politisch erfolgreicher ist, bleibt dahin gestellt. Doch gibt es sicherlich auch gute Gründe, die für Thiels und gegen Schawinskis Vorgehen sprechen.

Inhaltlich war das Gespräch eine einzige Enttäuschung. Schawinski wies immer wieder darauf hin, dass der Koran ein historisches Buch sei und beispielsweise Sklaverei zu jener Zeit üblich gewesen sei. Der Koran wird allerdings von vielen Menschen als Handlungsanleitung für ein Leben im 21. Jahrhundert gesehen, weshalb der Vergleich Schawinskis wenig hilfreich war. Thiel argumentierte schon eher in diese Richtung, indem er den Koran nicht als „göttliches Wort“ betrachtete, sondern Vergleiche anstellte mit dem Faschismus im 20. Jahrhundert: bei beiden handle es sich um Ideologien, um Handlungsanleitungen für das Diesseits, weshalb der Koran auch nicht unter die Religionsfreiheit falle.

Dieses Argument kann man allerdings auch auf die anderen abrahamitischen Buchreligionen anwenden – doch da zeigte sich, dass Thiel auch auf einem Auge blind ist. Wiederholt sprach er von zwei Göttern, die den abrahamitischen Religionen zugrunde lägen: ein liebender und ein zorniger Gott. Im alten Testament, auf dem das Judentum basiert wie auch im Koran sei oft vom zornigen Gott die Rede, was Schawinski gerade auch auf das alte Testament bezogen bestätigte – und was sich auch nicht ernsthaft abstreiten lässt. Dass es im Neuen Testament nur den liebenden Gott gebe, wie Thiel meinte, ist aber schlicht falsch. Liest man etwa die Offenbarung des Johannes, dann kann davon definitiv nicht die Rede sein. Auch andere Bibelstellen sprechen definitiv nicht für einen liebenden Gott. So steht beispielsweise in Lukas 19,27 (Luther-Bibel): „Doch jene meine Feinde, die nicht wollten, daß ich über sie herrschen sollte, bringet her und erwürget sie vor mir.“ Oder Matthäus 10,34-39: „Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu erregen gegen seinen Vater und die Tochter gegen ihre Mutter und die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht wert. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist mein nicht wert. Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.“ Auch ergibt das Christentum ohne Altem Testament wenig Sinn – schliesslich sind Schöpfungslehre oder zehn Gebote integrale Bestandteile des Christentums.

Als Satiriker ist es Thiel gelungen, die Form von Schawinskis Talk zu ironisieren und Schawinski regelrecht bloss zu stellen. Schawinski wiederum ist es nicht gelungen, ein sinnvolles Gespräch in Gang zu bringen. Daran ist Thiel aber nur teilweise schuld, da Schawinski – wie Thiel zu Recht bemerkt hat – von Beginn weg „auf den Mann“ gespielt hat und mit Einspielern Thiel zu demontieren suchte. Den wahren Kern der Sache hat Schawinski nicht einmal ansatzweise verstanden: Wenn der Koran wie Thiel gezeigt zu haben scheint Aufrufe zum Massenmord enthält und manche Leute den Koran als das absolut wahre Wort Gottes sehen, das heute eins zu eins umgesetzt werden müsse, dann betrifft uns dies hier und jetzt. Es handelt sich eben nicht einfach um ein historisches Buch, wie Schawinski argumentierte, weshalb es auch wichtig ist, zu wissen, was in diesem Buch AUCH steht. Betrachtet werden müsste beispielsweise, ob es sich bei den von Thiel zitierten Stellen nur um Randbemerkungen oder um zentrale Aspekte des Korans handelt. Für jene, welche den Koran als göttliches Werk verstehen spielt das aber keine Rolle: denn sie können den Koran stets so interpretieren, dass es für sie passt und sie tun dies oftmals auch. Doch wenn es sich nicht um ein göttliches Werk handeln sollte – dann stellt sich die Frage, warum ein Buch aus dem 7. Jahrhundert Grundlage sein soll für die Gestaltung der Gesellschaft im 21. Jahrhundert. Solche Fragen wurden im Talk leider nicht besprochen – und gehen auch in der Debatte um den Artikel von Thiel leider unter. Dafür streiten wir mal wieder darüber, ob Thiel sich antisemitisch geäussert habe (kaum), ob Schawinski Thiel beleidigt habe (wohl ja) oder ob Thiels Frisur provokativer ist als jene von Schawinski (definitiv ja).

Das Zitat von Thiel aus der Berner Zeitung:

[Frage:] „Die Muslime sind nicht gerade bekannt dafür, unseren Humor zu verstehen.

[Thiel:] Weil sie im Grund genommen gar keinen haben. Wenn du ihre Witze hörst, denkst du dir: Aha, das geht hier unter Humor. Die sind, böse gesagt, irgendwo im Übergang zwischen Neandertaler und Homo sapiens stecken geblieben.“

Schawinksi zitierte nur den roten Satz ohne Thiel davon vorher überhaupt in Kenntnis gesetzt zu haben. Auch wenn der Satz offensichtlich problematisch ist, ist auch klar ersichtlich, dass er im Kontext ganz anders tönt. Sauberer Journalismus sieht anders aus – der Vorwurf Thiels an Schawinski, dass dieser „Boulevard-Journalismus“ betreibe, bestätigt sich also.

 

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