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Leib-Seele Dualismus

Der Leib-Seele Dualismus oder auch „interaktionistische Substanzdualismus“ hat seine Wurzeln wohl im antiken Griechenland, wird heute aber vor allem auf René Descartes (1596-1650) zurückgeführt. Damit bezeichnet wird das sogenannte Leib Seele Problem oder aus heutiger Sicht wohl korrekter Körper Geist Problem. Grundsätzlich geht es darum, dass Körper und Geist grundsätzlich von anderer Art zu sein scheinen. Der Körper ist eindeutig Teil der „normalen“, physikalisch beschreibbaren Aussenwelt und lässt sich naturwissenschaftlich eindeutig beschreiben. Der Geist hingegen scheint seinen eigenen Gesetzen zu gehorchen und lässt sich physikalisch höchstens eingeschränkt erfassen. Bis heute existiert keine naturwissenschaftliche Theorie, die im Speziellen das Phänomen Bewusstsein erklären kann. Beim Leib Seele Dualismus kommt noch eine metaphysische Bedeutungsebene hinzu. Nur wenn der Geist als Seele unabhängig von der materiellen Welt und damit vom Körper existieren kann, sind die meisten religiösen Systeme überhaupt denkbar.

 

Die Kernthese des Leib-Seele Dualismus lautet in leicht abstrahierter Form wie folgt:

Annahme 1: Es gibt eine unbezweifelbare, nicht materielle und nicht ausgedehnte „denkende Substanz“ (res cogitans), die oft auch als Seele bezeichnet wird. Diese Seele umfasst kurz gesagt Geist und Bewusstsein und gehorcht nicht zwingend den Naturgesetzen.

Annahme 2: Es gibt eine unabhängig von dieser Seele existierende ausgedehnte und „materielle Substanz“ (res extensa), zu der auch der menschliche Körper oder Leib gehört. Diese Welt gehorcht zwingend den Naturgesetzen.

Annahme 3: Diese beiden Substanzen können unabhängig voneinander existieren.

Annahme 4: Diese beiden Substanzen können miteinander kausal interagieren.

Annahme 3 ist zentral für viele religiöse Vorstellungen. Nur so kann die Seele beispielsweise eine Seelenwanderung unternehmen oder nach dem Tod im Paradies oder in der Hölle weiterexistieren, hört aber auch die Welt mit dem Tod eines (respektive des letzten) Menschen nicht auf zu existieren wie im »Idealismus.

Annahme 4 wiederum ist deshalb zentral, weil ohne kausale Interaktion das Konzept von zwei Substanzen keinen Sinn ergibt. Was bringt eine Seele oder ein Geist, wenn sie nicht auf den Körper einwirken und beispielsweise willentlich die Hand bewegen können? Zudem ist es offensichtlich, dass Materie Einfluss auf Seele oder Geist nehmen kann: das (materielle) Aspirin wirkt auf die bewusste Empfindung des Kopfschmerzes.

Der Leib Seele Dualismus geht davon aus, dass alle vier Annahmen zugleich wahr sind. Er besagt also, dass Leib und Seele zwei grundsätzlich verschiedenen Substanzen angehören (deshalb Dualismus = „zwei enthaltend“), diese aber kausal interagieren können.

Argumente für den Dualismus

Intuition

Für den Leib-Seele Dualismus spricht die Intuition vieler Menschen, dass es eine unabhängig vom Körper existierende Seele gibt. Diese Intuition basiert wesentlich auf der Hoffnung, dass das, was uns ausmacht nach dem Tod in irgendeiner Form weiterexistiert.

Aus wissenschaftlicher Perspektive von grösserer Bedeutung ist das Argument, dass der Geist oder die Seele nichts Materielles, Körperliches zu sein scheinen und sich kaum physikalisch erklären lassen. Hier lohnt sich eine weitere Differenzierung. Während die Vorstellung einer Seele eine metaphysische Vorstellung ist, welche sich per definitionem nicht vollständig physikalisch erfassen lässt, gibt es Bereiche des Geistes, welche zwar nicht materiell zu sein scheinen, die aber physikalisch erfassbar sind und eindeutig physikalischen Gesetzen gehorchen. So verarbeiten beispielsweise Computer Informationen, welche genauso nicht materiell zu sein scheinen wie der Geist, die also zumindest etwas „Geistiges“ an sich haben. Der grosse Unterschied zum menschlichen Geist besteht aber darin, dass soweit heute bekannt nur Lebewesen über phänomenales Bewusstsein verfügen. Also über die subjektive Wahrnehmung wie sich etwas anfühlt. So können wir zwar eine Fledermaus physikalisch analysieren und so ziemlich alles über sie herausfinden – wir werden aber mit physikalischen Methoden nicht erklären können wie es sich anfühlt, eine Fledermaus zu sein (Argument von Thomas Nagel).

Körper Bewusstsein Problem?

Während der Begriff des (materiellen) Körpers relativ klar zu sein scheint, ist jener der Seele unklar. Ist damit eine metaphysische Substanz gemeint, der zumindest teilweise naturwissenschaftlich erfassbare Geist oder das bislang nicht physikalisch erklärbare phänomenale Bewusstsein? Annahme 1, dass es eine unabhängige „geistige“ Substanz gebe, muss hier also differenziert werden. Umfasst die Seele sowohl Geist als auch Bewusstsein, dann erhält die Annahme einen Widerspruch, wenn sich der Geist zumindest teilweise physikalisch erklären lässt. Statt von einem Leib Seele oder Körper Geist Problem würde man heute vielleicht besser von einem Körper Bewusstsein Problem sprechen.

Dass Körper und Bewusstsein wesentlich verschieden sind scheint so offensichtlich zu sein, dass die Vorstellung, Bewusstsein könnte etwas Materielles sein geradezu grotesk erscheint. Es ist völlig offensichtlich, dass die Wahrnehmung von Gefühlen, Gedanken, Sinnesreizen etc. nichts Materielles ist. Auch wenn man den Dualismus heute also differenzieren muss, scheint die gefühlte Intuition zumindest eines Körper Bewusstsein Dualismus schlicht unhinterfragbar zu sein.

Vorstellbarkeitsargument

Ein weiteres für einen Leib Seele Dualismus vorgebrachtes Argument ist das „Vorstellbarkeitsargument“. Gemäss diesem Argument lässt sich ein Substanzdualismus vorstellen und – so das Argument – was sich vorstellen lässt ist auch prinzipiell möglich. Prinzipielle Möglichkeit bedeutet allerdings nicht, dass es auch wirklich so ist – und es gibt wichtige Argumente, die gegen das Vorstellbarkeitsargument sprechen (vgl. dazu »David Chalmers Zombie-Argument gegen den Physikalismus). Zudem lässt sich auch in Frage stellen, ob sich etwas wirklich vorstellen lässt, das Teil einer völlig fremdartigen Substanz sein müsste. Hierbei geht es um das weiter unten vertiefte Problem der kausalen Interaktion zweier völlig verschiedener Substanzen.

Argumente gegen den Dualismus

Keine Seele ohne Körper

Ein erstes Argument gegen den Dualismus ist die Tatsache, dass es kaum, respektive gar kein Wissen gibt über eine unabhängig vom Körper existierende Seele. Dabei handelt es sich (fast) ausschliesslich um Spekulationen oder intuitive Einsichten, die empirischen Überprüfungen nicht stand halten.

(Fast) alles Wissen über die Seele stammt „aus der Zeit“, wo die Seele mit dem Leib verbunden ist. Selbst esoterische „Rückführungen“ in angeblich andere Leben finden in einem Moment statt, wo die entsprechende Seele an einen Leib gebunden ist, der sich beispielsweise in einem Sessel befindet. Die Seele, die sich aufgrund der Therapie angeblich an frühere Leben erinnern soll bleibt in ihrem Körper. Dass es sich dabei zumindest grösstenteils nicht um wahre Erinnerungen handelt, zeigt das einfache Beispiel, dass sich sehr viele Frauen in Kleopatra zurückversetzen – Kleopatra also eine wahrhaft multiple Person gewesen sein müsste (Stamm 2000, S. 84f).

In den meisten Fällen, wo eine Seele als unabhängig vom Körper empfunden wird, sind bewusstseinserweiternde Drogen oder Rituale im Spiel. Da diese im materiellen Hirn wirken, scheint es sich dabei zumindest in der Regel um Täuschungen zu handeln. Auch die wenigen Nahtoderfahrungen, die (noch) nicht auf natürliche Art und Weise erklärt werden können lassen kaum Zweifel daran aufkommen, dass Bewusstsein ohne Körper (bislang) nicht nachgewiesen werden und vermutlich auch nicht existieren kann. Denn die Behauptung, dass Seelen unabhängig von der körperlichen Welt existieren ist eine sehr starke Behauptung, für die es mehr als ein paar subjektive Erfahrungsberichte benötigt (z.B. Eben 2013, Engmann 2011).

Dies umso mehr als neurowissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Verbindung zwischen Gehirn und Bewusstsein, zwischen Leib und Seele sehr intensiv sein muss (vgl. dazu Roth: Verhältnis Bewusstsein – Gehirn). So sieht die Seele nichts ohne Augen, hört sie nichts ohne Ohren, sieht und hört sie aber auch nichts ohne Gehirn. Eine Seele ohne Körper hätte demnach keine Wahrnehmungen. Manche Esoteriker nehmen deshalb an, dass die Seele einen „Astralkörper“ habe – wobei es sich allerdings um eine reine Behauptung handelt. Problematisch daran ist, dass der nichtphysische „Astralleib“ genau gleich funktionieren müsste wie der „physische“ Körper und diesen damit überflüssig machen würde. Auch ist schwer vorstellbar, warum die Seele im Körper mit den Augen des Körpers sieht und in dem Moment, wo sie den Körper verlässt mit den „Augen“ des Astralleibs. Ganz abgesehen davon, dass eine solche Interaktion Energie verbrauchen und damit messbar sein müsste.

Die Seele ist aber nicht nur für Wahrnehmungen vom Körper abhängig, sondern auch die Erinnerungen werden nachweislich im Gehirn gespeichert, Hirnschädigungen können zu Veränderungen der Persönlichkeit führen, Hormone und andere materielle Substanzen bestimmen unser Gefühlsleben. Auch lässt sich die Aktivität von Bewusstsein durch „Hirnbilder“ aufzeigen, ist es sogar bereits möglich allein aufgrund der Hirnaktivität Bilder zu generieren, die den bewusst erlebten Bildern erstaunlich ähneln (Vortrag von Prof. Dr. John-Dylan Haynes am Symposium Turm der Sinne in Nürnberg 2013).

Die Verbindung zwischen Gehirn und Bewusstsein, respektive Seele ist nachweislich derart eng, dass kaum noch ein Bereich übrig bleibt, den die Seele auch ohne Körper umfassen könnte. Gleichwohl gibt es einige Wissenschaftler, deren Bücher ernsthaft diskutiert werden und die den Zusammenhang zwischen Seele, respektive Bewusstsein und Gehirn leugnen. Faktisch argumentieren viele dieser Autoren für einen Leib-Seele Dualismus, obwohl sie sich zugleich von einem solchen abgrenzen. Erklären lässt sich dies damit, dass viele dieser Autoren vor allem aus weltanschaulichen Gründen gegen einen „Nicht-Dualismus“ argumentieren, sich dabei aber in Widersprüchen verheddern. Beispiele dafür finden sich in den folgenden Artikeln: »Bennett/Hacker; »Alva Noë; »Brigitte Falkenburg; »Neurokonstruktivismus

Zwei Substanzen?

Descartes hatte die zwei Substanzen vor allem an der „Ausgedehntheit“ unterschieden: Körper lassen sich anfassen und nehmen einen Raum ein, wogegen der Geist nicht ausgedehnt zu sein scheint, sich zumindest nicht anfassen lässt. Zudem war wesentlicher Teil der Unterscheidung, dass das Geistige zu einer Seele gehört, welche nicht oder höchstens teilweise den Gesetzlichkeiten der physischen Welt gehorcht. Wie weiter oben gezeigt, ist diese Trennung heute kaum noch zu halten. Der grösste Teil des Geistigen wird nie bewusst und scheint grosse Ähnlichkeiten zu anderen informationsverarbeitenden Prozessen zu haben, die auch unabhängig vom Menschen existieren.

Wenn man aber die Trennlinie zwischen Körper und Bewusstsein zieht, kann man zwar weiter von einem möglichen Dualismus sprechen, dieser hat dann aber wenig mit dem Leib Seele Dualismus zu tun. Bewusstsein mag zwar etwas grundsätzlich anderes als Materie und Information sein, aber keine eigene Substanz. Dazu ist die Trennlinie zwischen eindeutig dem Hirn zuordenbaren unbewussten informationsverarbeitenden Prozessen und Bewusstsein zu diffus.

Problem der Interaktion

Doch egal, wo die Trennlinie gesetzt wird, ob man am Leib Seele Dualismus festhalten möchte oder darunter einen Körper Bewusstsein Dualismus versteht, müssen beide Seiten des Dualismus miteinander interagieren können. Deshalb spricht man eben auch von einem „ineraktionistischen Substanzdualismus“. Es ist durchaus denkbar, dass es verschiedene Substanzen gibt. Dann können wir aber per definitionem nur etwas über jene Substanz wissen, welcher wir angehören. Ausser es gibt eine Verbindung zwischen den Substanzen, ausser wenn die Substanzen interagieren können. Descartes ging davon aus, dass diese Interaktion in der Zirbeldrüse stattfindet.

In der Zirbeldrüse oder wo auch immer müsste also die substanziell seelische, nicht physische, bewusst gefällte Entscheidung auf die substanziell physische Welt einwirken können. Die in der Substanz der Seele gefällte bewusste Entscheidung müsste auf die der Substanz des Leibes angehörende Hand einwirken, um so das Glas heben zu können. Und umgekehrt müsste der der Substanz des Leibes angehörende Sinnesreiz die in der Substanz der Seele existierende bewusste Sinneserfahrung bewirken.

Beide Substanzen müssen also über eine gemeinsame Kausalität miteinander verbunden sein. Damit ergibt es aber kaum noch Sinn von unterschiedlichen Substanzen zu sprechen. Leib und Seele, Körper und Bewusstsein können zwar ihrem Wesen nach unterschiedlich sein, scheinen aber doch wesentlich gemeinsamen Gesetzmässigkeiten zu folgen. Die Vorstellung des Leib Seele Dualismus ist hier aber eine andere.

Angeblich soll die Seele aus einer „anderen Welt“ stammen, die ihren eigenen Gesetzmässigkeiten gehorcht. Sie soll unabhängig von einem physischen Körper existieren, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einen Körper der physischen Welt „andocken“ und die Kontrolle über diesen übernehmen. Sie soll sich irgendwie im Hirn (oder sonstwo in der materiellen Welt) einnisten und via physische Sinnesorgane die physische Welt wahrnehmen – ohne allerdings selbst physisch zu sein. Schliesslich gehört sie ja einer anderen Substanz an. Sie würde in die physische Kausalität integriert werden, indem sie den Schmerz wahrnehmen würde, der durch den am Stein gestossenen Zeh verursacht würde, würde umgekehrt aber auch mittels Willenshandlungen physisch kausal in die Welt hineinwirken können. Mit dem Tod würde sie den physischen Körper allerdings wieder verlassen und in ihrer eigenen Substanz, wieder völlig losgeslöst vom materiellen Körper weiterexistieren. Eine Interaktion von Seelen nach dem Tod wird zwar in vielen Religionen behauptet, nachweisen konnte man eine solche aber noch nie und eine solche Interaktion müsste Energie verbrauchen und damit messbar sein.

Die Vorstellung einer mit dem Gehirn verbundenen Seele, die wie ein kleines „Menschlein“ (= „Homunculus) durch die Sinnesorgane „ihres“ Körpers wahrnimmt kann empirisch ausgeschlossen werden (Singer: Homunculus). Es existiert kein „Ort“ im Gehirn, wo eine Interaktion zwischen materiellem Gehirn und nichtmaterieller Seele oder Homunculus stattfinden könnte. Zudem würde die kausale Interaktion zwischen materiellem Gehirn und nichtmaterieller Seele einen Verstoss gegen den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, den Energiesatz bedeuten.

Doch einmal angenommen, eine unabhängig existierende Seele könnte kausal in die Welt hineinwirken, ergibt sich ein Problem mit der Logik. Ist diese kausale Interaktion nichtphysisch („seelisch“) oder physisch? Würde eine nichtphysische Ursache (z.B. ein Gedanke) die physische Wirkung haben, dass ich meine Hand bewege, müsste sich das Nichtphysische in das Physische umwandeln lassen. Eine nichtphysische Ursache müsste also physisch wirken können und umgekehrt. Wäre dies möglich, liesse sich der Zusatz „physisch“, respektive „nichtphysisch“ weglassen, da es sich um eine kompatible Kausalität handeln würde. Das würde wiederum bedeuten, dass das Nichtphysische in die physische Kausalität eingebettet wäre – oder das Physische in die nichtphysische Kausalität. Die Seele / das Bewusstsein könnten damit nicht unabhängig von der physischen Welt existieren, wäre eben keine eigenständige Substanz, sondern einfach etwas Nichtmaterielles, das kausal mit der physischen Welt verbunden wäre.

Ein Bild kann diesen Gedanken illustrieren. Ist die nichtphysische Kausalität eine Eisenbahnlinie, ist die physische Kausalität beispielsweise eine Strasse. Gibt es Hybridfahrzeuge, dann bilden Eisenbahnlinie und Strasse eine Einheit und sind nicht komplett voneinander getrennt. Gibt es allerdings keine Hybridfahrzeuge, ist es nicht möglich von der Strasse auf die Eisenbahntrasse und umgekehrt zu wechseln.

Analog dazu sind Leib und Seele entweder wirklich grundsätzlich verschieden und können deshalb nicht interagieren oder sie können interagieren und es handelt sich nicht um einen Substanzdualismus. Es spielt also gar keine Rolle, wie verschieden Leib und Seele sind. Können sie interagieren, handelt es sich um ein System, gehören Leib und Seele zum gleichen Kausalzusammenhang und der Leib-Seele, respektive der interaktionistische Substanzdualismus ist falsch. Können sie aber nicht interagieren, kann der Geist nicht auf den Körper, der Körper nicht auf den Geist einwirken, eine Vorstellung, die gewissermassen leer ist. Es würde sich um einen puren Solipsismus handeln, die ganze physische Welt wäre dann nur die Vorstellung meiner Seele und würde nicht real existieren.

Alternativen zum Leib Seele Dualismus

Sind Leib und Seele keine je eigenen Substanzen, gehört alles zu einer Substanz. Das bedeutet entweder, dass Geist, Seele oder Bewusstsein dem Wesen nach physisch sind oder das Physische geistig, seelisch oder bewusst. Erste Version bezeichnet man als »Naturalismus, Physikalismus oder (veraltet) Materialismus. Bei der zweiten Version handelt es sich um einen »Idealismus. Theoretisch wäre noch eine weitere Position möglich: der »Panpsychismus, der allerdings in sich widersprüchlich ist. Aus wissenschaftlicher Sicht kann nur eine dieser Versionen überhaupt in Betracht gezogen werden. Denn nur eine dieser Theorien ist mit naturwissenschaftlichen Theorien vereinbar, insbesondere mit der Evolutionstheorie.

Evolution

Gemäss dieser hat sich die Welt unabhängig von Geist und Bewusstsein, unabhängig von einer Seele entwickelt und komplexe Organe hervorgebracht, welche über Bewusstsein verfügen. Die Erde ist gemäss der Evolutionstheorie nur ein winziger Planet in einem riesigen Universum, weshalb es umso erstaunlicher wäre, dass sich hier die Seelen „ballen“. Mit der Evolutionstheorie lässt sich auch leicht erklären, warum Bewusstsein stets an ein Gehirn gebunden zu sein scheint – könnten Seelen auch ohne Körper wahrnehmen und empfinden (mit einem „Astralleib“), dann könnten sie sich auch irgendwo sonst ansiedeln. Tatsächlich gibt es Theorien, die sogar Steinen eine Seele zusprechen, es gibt allerdings keinerlei empirische Bestätigung dafür und es stellt sich die Frage, was man sich unter solchen Seelen überhaupt noch vorstellen könnte. Problematischer ist dieser Gedanke allerdings für Vorstellungen, die eine Seelenwanderung in welcher Form auch immer annehmen: da der Stein nicht stirbt, wäre die Seele wohl für immer im Stein eingeschlossen.

Weitere Argumente

John R. Searle argumentiert wie folgt gegen den Dualismus:

„Die Tatsache, daß die kausalen Kräfte von Bewußtsein und die kausalen Kräfte seiner neuronalen Grundlage genau dieselben sind, zeigt, daß wir nicht über zwei voneinander unabhängige Phänomene, Bewußtsein und neuronale Prozesse, reden. Wenn zwei Dinge in der wirklichen, empirischen Welt unabhängig voneinander existieren, dann müssen sie unterschiedliche kausale Kräfte besitzen. Die kausalen Kräfte von Bewußtsein sind aber genau dieselben wie die des neuronalen Substrats. Die Situation ist die gleiche, wenn es um die kausalen Kräfte von festen Gegenständen und die kausalen Kräfte ihrer molekularen Bestandteile geht. Wir reden nicht über zwei verschiedene Entitäten, sondern über dasselbe System auf unterschiedlichen Ebenen.“ (Searle 2006, S. 138f.).

Ansgar Beckermann argumentiert wie folgt:
„Probleme des interaktionistischen Dualismus
(1) Eine Wirkung des Geistes auf das Gehirn lässt sich empirisch nicht nachweisen.
(2) Auf die folgenden theoretischen Fragen gibt es keine nachvollziehbare Antwort:
(a) Warum sind die Wirkungen des Geistes so minimal und nur auf bestimmte Bereiche des Gehirns beschränkt?
(b) Wie ist ein Einwirken des Geistes auf den Körper mit den physikalischen Erhaltungssätzen vereinbar?
(c) Warum bedarf der Geist überhaupt eines komplexen und funktionsfähigen Gehirns, um kausal wirksam sein zu können?
(d) Wie sieht der Mechanismus aus, auf dem die kausale Beziehung zwischen Geist und Körper beruht?
(e) Warum kann mein Geist auf mein Gehirn, aber auf kein anderes Gehirn einwirken?“
Beckermann 2008, S. 56.

Mario Bunge fasst seine Argumente gegen den Dualismus wie folgt zusammen:

„Die erste Schwachstelle des Dualismus ist seine Vagheit: Er sagt nicht, was der Geist ist, weil er keine Theorie des Geistes, ja nicht einmal eine Definition anbietet. Allenfalls wird gesagt, was der Geist nicht ist, nämlich nicht materiell, nicht räumlich, nicht lokalisierbar usw. … Aufgrund seiner völligen ontologischen Unklarheit gibt der Dualismus nicht nur keine Antwort auf die Frage, wie der Geist mit dem Gehirn interagieren soll, sondern auch auf die Frage, warum mein Geist nur mit meinem Gehirn interagiert und nicht mit mehreren, ja warum er überhaupt mit dem Gehirn interagiert statt mit der Leber oder dem Herzen oder ganz anderen Gegenständen (s. auch Beckermann 2001). Ein dritter Defekt des psychophysischen Dualismus besteht in seiner Unvereinbarkeit mit der Evolutionstheorie. Ist der Geist immateriell, dann steht er im wahrsten Sinne des Wortes über der lebenden Materie und kann daher kaum Selektions- und Evolutionsprozessen unterliegen. Im Gegensatz dazu kann Geist als Gehirnfunktion zusammen mit dem Gehirn evolvieren. Das schlimmste und wohl für seinen Bankrott entscheidende Kennzeichen des Dualismus ist seine wissenschaftliche Sterilität: Weder erweist er sich als heuristisch fruchtbar für die Forschung noch kann er irgendetwas zur Erklärung des Mentalen beitragen. In der Tat hat er für jedes Problem bereits eine Antwort parat: Die „Tätigkeit“ des immateriellen Geistes. Welche neuen Forschungen sollte er so inspirieren? Gleichzeitig erklärt er mit seiner Allzweckantwort alles, was je einer Erklärung bedarf. Doch etwas, das alles erklärt, erklärt nichts. Damit ist er als Erklärungsinstanz unzulässig und auch überflüssig.  Zu guter Letzt ist der Dualismus unprüfbar, bzw. unfalsifizierbar:“ Bunge 2004. S. 145f.

Gemäss John R. Searle ist der Dualismus allerdings nicht zu bezwingen:

„Viele, wenn nicht sogar die meisten Philosophen haben dem Dualismus abgeschworen, … Ich vermute, der Dualismus wird nicht verschwinden, auch wenn er unmodern geworden ist. In den letzten Jahren hat der Dualismus, zumindest der Eigenschaftsdualismus, sogar eine gewisse Renaissance erlebt, was teilweise an einem Wiederaufleben des Interesses am Bewußtsein liegt. Die Einsicht, die den Dualismus treibt, ist kraftvoll. Sehr vereinfacht lautet sie: Wir haben alle echte bewußte Erlebnisse und wissen, daß sie nicht von der gleichen Art sind wie die physischen Gegenstände um uns herum.“ Searle 2006, S. 54.

Literatur

Beckermann, Ansgar. 2008. Analytische Einführung in die Philosophie des Geistes. 3. Aufl. de Gruyter.
Bunge, Mario und Martin Mahner. 2004. Über die Natur der Dinge. Materialismus und Wissenschaft. 1. Aufl. Hirzel, Stuttgart.
Eben, Alexander. 2013. Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen. 10. Aufl. Ansata.
Engmann, Birk. 2011. Mythos Nahtoderfahrung. 1. Aufl. Hirzel S. Verlag.
Searle, John R. 2006. Geist: Eine Einführung. 2. Aufl. Suhrkamp Verlag.
Stamm, Hugo. 2000. Achtung Esoterik: Zwischen Spiritualität und Verführung. 3. Aufl. Pendo Verlag.
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