Ginge es nicht um den Bankrott eines Landes und um den Zusammenhalt des Euros, könnte man ja lachen: eine absurdere und peinlichere Vorstellung als die der Laientruppe Syriza, amtierende Regierung Griechenlands, ist kaum noch denkbar.
Link zum Thema: „Das ist nur noch absurd. Der Mann überfordert mich“ (welt.de, 30.6.2015)
Vorgeschichte (vgl. auch die vorhergehenden Blogartikel)
Die neue Regierung hatte Ende Januar 2015 die Macht noch kaum übernommen, als bereits die ersten Beleidigungen zu hören waren. Die neue durch Syriza geführte linksextrem-rechtsextrem-Regierung machte für den griechischen Schlamassel ausschliesslich die Geldgeber verantwortlich. Die sogenannte Troika (ein Zusammenschluss von EU, Europäische Zentralbank und Internationalem Währungsfonds), welche den Fortschritt der Reformen überwachte wurde „rausgeschmissen“ – und in „Institutionen“ umbenannt. Völlig negiert wurde und wird bis heute, dass sich bis dahin pro Grieche 50’000 Euro Staatsschulden angehäuft hatten, die irgendwo im korrupten Staatsapparat versickert waren. 50’000 Euro – macht rund 200’000 Euro Staatsschulden pro vierköpfige Familie.
Anstatt sich in dieser Situation zu mässigen, wurden die Geldgeber als Faschisten, Nazis und Ausbeuter verschrien, die Griechenland erpressten und folterten. Es wurde sogar argumentiert, dass die zusätzlich seit 2010 gemachten Schulden illegal seien, da sie den Griechen aufgedrückt worden seien, sie diese Gelder gar nicht gewollt hätten. Denn diese Gelder seien nicht an Griechen, sondern an Banken gegangen.
Dieses leider allzuoft gehörte Argument ist vollends absurd. 2008/2009 wurde klar, dass Griechenland faktisch bankrott war. Es konnte seine Schulden nicht mehr begleichen. Aus diesem Grund wurde die Troika gebildet, welche Griechenlands Schulden umschuldeten: Sie gaben Griechenland neue Kredite mit extrem guten Konditionen, damit Griechenland die alten Kredite zurückzahlen konnte und es gab sogar einen Schuldenschnitt von über 100 Milliarden Euro: private Gläubiger mussten „freiwillig“ auf über 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten, damit Griechenland vor dem bankrott gerettet werden konnte. Als Gegenleistung sicherte die Troika den Gläubigern zu, die restlichen Schulden zu garantieren. Diese Rettung war natürlich nicht nur selbstlos – um 2010 drohte ein „Grexit“, ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone die ganze Eurozone zu zerstören, weshalb er um jeden Preis verhindert werden sollte.
Da aber der Niedergang Griechenlands (logischerweise) zeitlich zusammenfiel mit den Reformforderungen der Troika, wurde diese nun für den Niedergang verantwortlich gemacht. In einer Analogie würde dies wohl bedeuten, dass die Feuerwehr für das Löschen und für die Verwüsungen durch das Feuer verantwortlich gemacht würde…
Die Griechen kriegten die Kredite der Troika nicht „gratis“. Sie mussten als Gegenleistung Reformen durchführen mit dem Ziel, bald mehr einzunehmen statt auszugeben und damit langfristig die Schulden begleichen zu können. Die Reformen sollten dazu führen, dass kein neues Feuer mehr ausbrechen würde. Es wurde hart gespart, Steuern erhöht, was vielen Griechen an die Substanz ging und geht. Ob es sich wirklich um die richtigen Reformen gehandelt hat, wird weitherum bezweifelt, die Troika hat sicherlich viele Fehler gemacht. Vor allem aber verweigerten die Griechen wirklich grundlegende Reformen. Am maroden Zustand des Staates, der unglaublich viel kostet und unglaublich ineffizient ist, wurde kaum etwas geändert. Trotzdem war es gelungen bis 2014 ein ungefähr ausgeglichenes Budget zu erreichen. Ein kleiner Hoffnungsschimmer.
In diesem Moment wurde allerdings Syriza gewählt, die versprochen hatte die Sparpakete zu beenden, den Mindestlohn zu erhöhen, wieder mehr Geld auszugeben, das man jedoch schlicht nicht hatte. Wer sollte also bezahlen? Offensichtlich die Troika, welche man zugleich aufs Übelste beschimpfte. Es folgten Monate der Verhandlungen und der Verunglimpfungen, Unsicherheit breitete sich aus, wirkliche Reformen wurden weiterhin kaum angepackt. Die Steuereinnahmen sanken wieder, die Staatsausgaben wurden erhöht, Griechenland kippte wieder ins alte Fahrwasser von vor der Krise. Ende Juni 2015 eskalierte die Situation.
Das Chicken Game scheitert – die Ereignisse Ende Juni 2015
Im Nachhinein erscheint es so, als ob die Syriza-Vertreter gar nicht richtig verhandelt hatten. Jannis Varoufakis, Finanzminister, Professor und selbsternannter Spieltheorieexperte schien vielmehr ein „Chicken Game“ („Feiglingsspiel“) zu betreiben: damit wird ein „Spiel“ bezeichnet, wo beispielsweise zwei Autos aufeinander zurasen. Derjenige, der ausweicht hat verloren (stark vereinfacht – vgl. auch den Wikipediaartikel). Varoufaksi und Ministerpräsident Tsipras schienen sich so sicher zu sein, dass Griechenland nicht fallengelassen würde, dass sie blindlings losfuhren. Am Freitagabend, 26. Juni 2015, kurz vor dem Aufprall, verlor Tsipras dann doch die Nerven und kündigte ein Referendum an für den 5. Juli 2015. Die griechische Bevölkerung sollte in einer Abstimmung mitteilen, ob sie für oder gegen die Unterzeichnung des bis dahin ausgehandelten Vertragswerks sei. Tsipras betonte, dass die Griechen „Nein“ sagen müssten und erhoffte sich wohl Neuverhandlungen. Bloss scheint er in dem Moment den Bezug zur Realität verloren zu haben.
Denn am Samstag 27. Juni 2015 war der Tag der letztmöglichen Entscheidung, der Moment, wo die Autos weder gebremst noch das Lenkrad herumgerisen hätte werden können. Kurz vor diesem Termin ersuchte Tsipras mit dem Referendum um eine Verlängerung der Verhandlungen um eine oder mehrere Wochen. Er war ausgewichen, wollte aber nicht dazu stehen. Der bankrott konnte bis zum 27. Juni verhindert werden, da es danach nicht mehr möglich war, die notwendige Zustimmung der Parlamente unter anderem in Deutschland einzuholen.
Die Idee mit dem Referendum scheint in Panik entstanden zu sein, denn die Idee war auch seltsam. Tsipras erhofft sich wohl, dass ein „Nein“ der griechischen Bevölkerung zum Vertragswerk eine Verbesserung seiner Verhandlungsposition bedeuten würde. Bloss musste die Entscheidung bis zum 27. Juni gefällt werden – eine Volksabstimmung am 5. Juli ist deshalb sinnlos. Tsipras hat mit diesem Vorschlag das Vertragswerk abgelehnt, was faktisch den bankrott Griechenlands bedeutet. Denn die Wahl war: Zustimmung zu einem Vertrag, der Griechenland Geld gebracht, aber auch Pflichten enthalten hätte (Sparprogramme, Steuererhöhungen etc.) oder der Bankrott.
Das Nein zu diesem Deal war mit dem Referendum ausgesprochen. Dieses wird vermutlich trotzdem abgehalten werden. Ein Nein würde allerdings nicht wie von Tsipras gewünscht dazu führen, dass auf den nun gescheiterten Verhandlungen basierend neu verhandelt würde, sondern wenn die Griechen nein zu diesem Deal sagen, dann sagen sie nein zum Euro. Alles andere wäre Betrug an den anderen Eurostaaten, welche Griechenland weiter finanzieren müssten, ohne dass die Griechen eine Gegenleistung erbrächten. Sagen sie hingegen ja, kann neu verhandelt werden, allerdings offensichtlich ohne Syriza-Regierung. Denn diese hat die bisherigen Verhandlungen ja bereits abgebrochen. Tsipras Referendumidee erscheint damit völlig realitätsfremd, erscheint als Verzweiflungstat. Offensichtlich hatten sie im Chicken Game den Gegner falsch eingeschätzt und das Spiel verloren. Denn einen „Grexit“ will Syriza auch nicht – Finanzminister Varoufakis hatte sogar angedroht, dagegen Klage einzureichen. Was will Syriza also? Geld ohne Gegenleistung, keine Verantwortung übernehmen, die eigene Klientel bedienen? Und das alles im Namen der Solidarität? Wäre die Situation nicht derart ernst, könnte man das ganze als Comedyshow geniessen…
30. Juni 2015
Die griechische Regierung scheint weiterhin zu hoffen, dass ihr bis um Mitternacht irgendwer die notwendigen Milliarden überweist, um den bankrott zu verhindern. Am liebsten hätte sie das Geld von der aufs Ubelste beschimpften EU, weil sonst niemand zahlen wird. Nach den wenigen Monaten an der Macht ist Syriza aber komplett isoliert, da sie ausser grossen Sprüchen kaum etwas geleistet hat. Sie ist auf voller Linie gescheitert und droht Griechenland und vielleicht die ganze Eurozone in den Abgrund zu reissen.
Kurz vor vier Uhr kam die folgende Meldung rein auf Spiegel.de: „Die griechische Regierung will wieder verhandeln: Premier Tsipras schlägt eine über zwei Jahre gestreckte Lösung mit dem Rettungsfonds ESM vor. Dafür verlangt er eine Umschuldung.“ Diese Meldung hat sich als nicht ganz korrekt erwiesen, ist aber eine schöne Anekdote für die Erwartungshaltung der griechischen Regierung: Nachdem Tsipras das zweite Rettungspaket abgelehnt hat (worüber die Griechen abstimmen sollen), fordert er bereits ein drittes Rettungspaket. Wohl wiederum ohne selbst Konzessionen einzugehen. Anekdotisch ist die Textstelle, weil Tsipras dafür, dass er ein drittes Rettungspaket akzeptiert eine Umschuldung verlangt. Das heisst, Tsipras ist bereit, weiteres Geld anzunehmen (wohl weiterhin ohne Reformversprechen) und dafür, dass er so nett ist, Geld anzunehmen bietet er an, dass die Gläubiger auf die bisher gemachten Schulden verzichten. Auch wenn dies eine Falschmeldung war – Im Denken der Syriza wäre das durchaus konsequent, denn wie eingangs beschrieben sind einige davon der Überzeugung, dass die Schulden illegal seien, da ihnen das Geld „aufgezwungen“ worden sei. Da wäre es ja nur konsequent, wenn die Gläubiger die Schulden erliessen. Doch dies wäre fatal.
unmöglicher Schuldenschnitt
Syrizas Hautpziel war wohl der Schuldenschnitt. Diesen hat sie jedoch aus offensichtlichen Gründen nicht erreicht – was einmal mehr die Realitätsferne dieser Chaotentruppe demonstriert. Zum einen wurden Griechenland bereits über 100 Milliarden erlassen, hat Griechenland diverse Kredite fast ohne Zins und faktisch auf unbegrenzte Zeit erhalten. Dies kommt einem faktischen Schuldenschnitt schon sehr nahe. Würden die griechischen Schulden aber tatsächlich erlassen, wäre das ein desaströses Signal an alle anderen Staaten des Euros: wer sich nur genügend verschuldet, muss die Gelder nicht mehr zurückzahlen. Ein Schludenschnitt wäre also der faktische Tod des Euros, zudem würde für Griechenland der Druck für weitere Reformen wegfallen. In wenigen Jahren wäre Griechenland damit wieder überschuldet und das Spiel würde von vorne beginnen.