Inhalt: John Law
"John Law, ein reicher Schotte, schön, gewandt, elegant und zweifellos
ein finanzielles Genie, hatte den produktiven und an sich richtigen Gedanken
gefasst, dass das Kapital der staatlichen und der grossen privaten Banken
sich nicht lediglich in ihrem Vorrat an Edelmetall ausdrücke, sondern
auch in den Naturwerten und Arbeitskräften, die ihnen bei ihren Transaktionen
zur Verfügung ständen; infolgedessen seien sie berechtigt, an den
Kredit des Publikums zu appellieren und Bankbillets auszustellen, für
die nicht die volle Deckung durch Bargeld vorhanden sei." Law gründet
eine Privatnotenbank - nach 3 Jahren 40% Dividende "Die von ihm ins Leben
gerufene "Compagnie des Indes", die zur Exploitierung Kanadas und Louisianas
bestimmt war, zog die Ersparnisse ganz Frankreichs an sich und als ihre "Mississippiaktien"
auf das Zwanzigfache und Vierzigfache ihres Nennwertes stiegen, überschritt
die Spekulationswut alle Grenzen. Damals wurde der Typ des "chevalier d'industrie"
geboren, des abenteuernden Industrieritters, dessen Vermögen in lauter
Papier besteht. 1719 erbot sich Law, den Staat mit einem Schlage zu sanieren,
indem er sämtliche Steuern in Pacht nahm, 1720 wurde er zum Finanzminister
ernannt. Schliesslich setzte er so viele Scheine in Umlauf, dass sie das
Achtzigfache alles in Frankreich befindlichen Geldes repräsentierten.
Aber die Kolonien brachten nichts ein, das Publikum wurde misstrauisch, es
erfolgte ein allgemeiner Run auf die Staatsbank, ihre Billets sanken auf
den zehnten, die indischen Aktien auf den fünfundzwanzigsten Teil ihres
Ausgabekurses. 1721 blieb nichts übrig, als den Bankerott zu erklären,
Law musste nach Venedig fliehen, wo er acht Jahre später in grösster
Armut starb, eine ungeheure Teuerung brach aus, ganz Frankreich war ruiniert."
Aus: Egon Friedell. Kulturgeschichte der Neuzeit. Band 1. München 2001.
S. 584f.