Dies und

das

Die Schuldenkrise am Beispiel Griechenland

Griechenland hat jahrzehntelang über den eigenen Verhältnissen gelebt. Finanziert wurde der weit überzogene Lebensstandard nicht zuletzt damit, dass die Drachme (vormalige Währung Griechenlands) abgewertet wurde und man sich stark verschuldet hat. Mit der Übernahme des Euro war es für Griechenland noch einfacher, sich zu verschulden, da im Prinzip die anderen Eurostaaten für diese Schulden bürgten. Und Griechenland verschuldete sich hemmungslos weiter, bis spätestens 2010 das grosse Erwachen kam: die Schulden müssen irgendwie auch zurückgezahlt werden – und Griechenland hatte keine Mittel mehr, dies zu tun. Die Schuldenkrise begann.

Die nun vollzogenen Massnahmen waren für Griechenland brutal. Um nur schon Kredite zu erhalten, um die Schulden zurückzuzahlen, musste der Staatsapparat entrümpelt, Leute entlassen, Steuern erhöht werden etc. Die Menschen landeten in der Realität und viele Griechen wurden arbeitslos und fielen unter die Armutsgrenze. Die sozialen Härten, aber auch der drastische Rückgang der Wirtschaft schreien regelrecht danach, die Sparmassnahmen auszusetzen, um so Griechenland wieder auf die Beine zu helfen und den tief Gefallenen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Doch dagegen sprechen leider einige wichtige Argumente:

  • Die Gelder, um die es zurzeit geht, gehen nicht an die Menschen in Griechenland, sondern direkt zurück an die Gläubiger, vor allem Banken und Staaten aus Westeuropa. Würde man diese Gelder aber direkt den Griechen auszahlen, würden sich diese noch weiter verschulden, was die Situation noch schlimmer machen würde. Einzige Möglichkeit scheint ein Schuldenschnitt zu sein: Griechenland wird zumindest ein Teil der Schulden einfach erlassen. Dies ist allerdings bereits geschehen, fast 90% der Gläubiger Griechenlands haben freiwillig einem Schuldenschnitt zugestimmt und auf über 100 Milliarden Euro verzichtet.
  • Ein Schuldenschnitt hat aber natürlich wiederum gravierende Konsequenzen. Verlieren die Gläubiger ihre investierten Gelder, werden sie in Zukunft kaum noch in Griechenland investieren. Um überhaupt noch an Geld zu kommen, müsste Griechenland höhere Zinsen zahlen und geriete in einen Teufelskreis: die Zinsen wären bald so hoch, dass sie schlicht nicht mehr bezahlt werden könnten. Zumindest bis vor Kurzen konnte Griechenland hingegen noch Geld zu äusserst günstigen Konditionen aufnehmen, da es quasi subventioniert und abgesichert wird von der Eurozone. Dies könnte sich nun ändern. Schon wenige Tage nachdem die neue griechische Regierung unter Alexis Tsipras die Arbeit aufgenommen hat und sich nicht mehr an Vorgaben der Gläubiger halten will, hat die europäische Zentralbank die Schrauben angezogen: für Griechenland ist es bereits schwieriger, an frisches Geld zu kommen. Wobei die EZB soeben Griechenland einen Kredit über 60 Milliarden Euro gesprochen haben soll (Stand 5.2.2015 – guter Hintergrundartikel dazu in zeit.de)
  • Gegen einen Schuldenschnitt oder das Ausschütten von Geldern an die notleidenden Griechen spricht noch ein weiteres Argument: Griechenland hat sich gnadenlos verschuldet und sollte nun nicht dafür belohnt werden. Denn sollte dies Schule machen, würde es sich also lohnen Schulden zu machen, weil man sie später einfach nicht zurückzahlen müsste, wäre die Verlockung allzu gross, weiter Schulden zu machen, sich Griechenland als Vorbild zu nehmen. Kommt man Griechenland nun entgegen, wird dies also ein Präjudiz sein für andere Staaten: wer seine Schulden nicht mehr bezahlen kann, muss sie einfach nicht mehr bezahlen und alles ist gut. Dies funktioniert aber natürlich nicht. Und so hat die Griechenlandkrise – so zynisch das tönt – vielleicht sogar eine Art pädagogische Funktion: es sollte ein abschreckendes Beispiel für alle sein, sich nicht übermässig zu verschulden, da sonst Zustände wie in Griechenland drohen. Allerdings ist der heutige Verschuldungsgrad auch ausserhalb Griechenlands ganz allgemein auf einem sehr hohen Level, weshalb wir uns nicht wundern sollten, wenn sich die Griechenlandkrise früher oder später auf ganz Europa oder andere Regionen ausbreiten wird.
  • Verschuldung ist allerdings nicht per se schlecht – allerdings müssen die Schulden mit Werten unterlegt sein. Wer einen Hypothekarkredit aufnimmt, zahlt damit ein Haus, auf das der Gläubiger bei Zahlungsunfähigkeit zurückgreifen kann. Auch ein ständiges Einkommen kann als Sicherheit dienen. Bei Staaten gelten die Steuerzahler als wichtige Kreditabsicherung. Allerdings trägt auch der Gläubiger stets ein Risiko und vergibt ein Gläubiger Kredite ohne die Zahlungsfähigkeit oder die Vorgeschichte des Schuldners zu beleuchten, trifft ihn wohl auch einen Teil der Schuld. Insofern wäre es zu einfach nur den Griechen die Schuld am heutigen Debakel zuzuschreiben – und ist ein Schuldenschnitt, durchaus gerechtfertigt. Ein solcher ist aber wie erwähnt bereits geschehen und ohne grundlegende Reformen wird Griechenland seine Kreditwürdigkeit nicht zurückerhalten. Das Land wird deshalb wohl noch längere Zeit am Tropf der EU (respektive der Troika) hängen.

Es spricht allerdings auch einiges dafür, Griechenland beim Schuldendienst entgegenzukommen.

  • Griechenland hat in den letzten Jahren einige Reformen angepackt und ist heute formal besser aufgestellt als noch vor fünf Jahren. Da die Schuldenlast aber weiterhin erdrückend ist stellen viele Beobachter in Frage, dass Griechenland wieder auf die Beine kommen wird. Oftmals ist es die beste Massnahme, wenn ein Staat in der Krise Geld ausgibt, um so die Wirtschaft anzukurbeln. Zudem erscheine es aus moralischen Gründen statthaft, der notleidenden griechischen Bevölkerung konkret zu helfen. Tsipras hat deshalb bereits wieder Tausende Putzfrauen eingestellt und eine Erhöhung des Mindestlohns in Aussicht gestellt, um vor allem den Ärmsten zu helfen. Ungeklärt ist allerdings, wie Tsipras dies finanzieren will und die Gefahr besteht, dass mit einem höheren Mindestlohn die Konkurrenzfähigkeit Griechenlands wieder sinkt und sich die Lage wieder verschlechtert. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzierung mittels höherer Besteuerung von reichen Griechen gesichert werden kann.  Insbesondere in diesem Bereich gab es bislang vor allem Ankündigungen und wurden Reformen sträflich vernachlässigt. Da Tsipras nicht zur bisherigen Nomenklatura gehört, ist zu hoffen, dass hier endlich etwas geschieht. Vielleicht sollte man der neuen Regierung Tsipras einfach etwas mehr Zeit geben. Mit ihrem bisherigen Vorgehen, hat sie aber die Geldgeber definitiv erschreckt und es steht zu befürchten, dass diese den Hahn zudrehen. Denn mehr ausgeben lässt sich leicht und hat noch jede Vorgängerregierung zumindest vor 2010 perfekt beherrscht. Ebenfalls leicht ist es, zu versprechen, dass Reiche mehr besteuert werden sollen. Dies umzusetzen ist die harte Nuss. Deshalb wäre es aus Sicht der Geldgeber sinnvoller gewesen, sich zuerst auf Mehreinnahmen zu konzentrieren und danach die Ausgaben zu erhöhen. Tsipras unterscheidet sich in dem Punkt also bislang kaum von früheren Regierungen, was nichts Gutes hoffen lässt.
  • Um wirtschaftlich wieder zu wachsen, Mehreinnahmen zu generieren und so die Schulden zurückzahlen zu können, benötigt Griechenland Luft. Ein Vorschlag der griechischen Regierung lautet deshalb, dass die Schulden erst dann zurückgezahlt werden sollten, wenn die Wirtschaftsleistung Griechenlands gesteigert worden ist. Kritiker sagen allerdings, dass die griechische Wirtschaft auch heute weit davon entfernt ist, konkurrenzfähig zu sein.
  • Viele Griechen haben die Nase voll von Reformen, die vor allem Sparmassnahmen sind. Bei diesen Wahlen wurden deshalb Parteien gestärkt, die sich gegen diese Sparmassnahmen ausgesprochen haben. Scheitert die Regierung Tsipras könnte dies zur Folge haben, dass rechtsradikale Parteien gestärkt würden, weshalb man Griechenland entgegenkommen sollte. Lieber auf einige Milliarden verzichten und dafür Frieden in Europa haben. Gegen diese Haltung spricht, dass gerade das Akzeptieren von Verschuldung zu Unfrieden führen könnte. Bevor neue Gelder gesprochen werden können, müsste sichergestellt sein, dass das Geld auch wirklich bei jenen ankommt, die darauf angewiesen sind. Die Gefahr, dass Gelder versickern, respektive in den falschen Taschen landen ist gerade in Griechenland nicht unbedeutend, wo es gang und gäbe ist, Einkommen von wenigen tausend Euro zu versteuern – und den vorhandenen, offensichtlich schwarz erwirtschafteten Reichtum – umso protziger zur Schau zu stellen. Nur schon um Nothilfe zu organisieren, bräuchte der griechische Staat also weitere Reformen, respektive ein grundsätzliches Umdenken.

vgl. auch den folgenden Artikel: »Warum es Griechenland trotz Milliardenzahlungen nicht besser geht

Im Anhang noch ein paar Zahlen, die allerdings ohne Gewähr sind. In Griechenland leben rund 11 Millionen Menschen. 3.6 Millionen davon sollen Erwerbstätige sein, 800’000 im Staatsdienst. Griechenland verfügte maximal Schulden über 350 Milliarden Euro. Durch 11 Millionen Menschen geteilt bedeutet das eine Staatsverschuldung pro Kopf von 32’000 Euro. Dazu kommen private Schulden und das bei einem BIP pro Kopf und Jahr von ca. 27’000 Dollar.

weiterführende Links

  • Der Grexit für Dummies (tagi.ch, 16.2.2015)
  • Fakelaki – die griechische Form der Korruption (Wikipedia)
  • Desolate Finanzlage: Nicht einmal ein Schuldenschnitt wird Griechenland helfen (Spiegel.de, 2.2.2015)
  • Warum in Griechenland seit Jahren alles stockt: Selbst wenn die Probleme bekannt sind – der griechische Beamtenapparat hat bisher fast jede Veränderung blockiert. Auch weil von der Steuerschuld 40 Prozent als Bestechungsgeld fließen. (Welt.de, 17.6.2012)
  • Was haben die bisherigen Sparmassnahmen bewirkt? (nzz.ch, 13.2.2015)
  • Die griechische Staatsschuldenkrise (Wikipedia)
  • Die erste Woche der neuen Regierung Tsipras – ein Überblick (Spiegel.de)
  • Wohin die Kredite an Griechland fliessen (zeit.de, 7.2.2015)

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1 Kommentar

  1. Thomas 9. Juli 2015

    Ein sehr informativer Artikel mit ganz interessanten Informationen. Letzendich kann jedes EU Land in eine solche Situation kommen. Hier sollte man gemeinsam eine Lösung finden, um so etwas in Zukunft auch zu vermeiden.

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