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Aber es passt doch so gut… Wie Verschwörungstheorien funktionieren

Verschwörungstheoretiker versuchen gerne aufzuzeigen, dass die „offizielle“ Version eines Ereignisses nicht stimmen kann. Nachdem sie dies gezeigt zu haben glauben, versuchen sie ihre „Alternative“ zu begründen (vgl. früheren Blogbeitrag). Dabei werden verschiedene Methoden verwendet.


Cui Bono – wem nützt es?

Besonders beliebt dabei ist das Motiv des „cui bono“ – des „wem nützt es“. Besonders prominent findet sich dieses Motiv beim Anschlag auf das World Trade Center vom 11. September 2001. Auch da wurde und wird zu zeigen versucht, dass die „offizielle“ Version unmöglich stimmen könne. Nachdem genügend Zweifel geweckt worden sind, wird nach einer „Alternative“ Ausschau gehalten. Da diese Alternative möglichst „sinnvoll“ tönen soll wird vor allem einmal nach Motiven gesucht. So hätten die Anschläge zwar durchaus in die Strategie von Al Qaida passen können, aber hatte nicht die US-Regierung unter George W. Bush besonders stark vom 11. September profitiert? Mit dem 11. September wurde der darauffolgende „Krieg gegen den Terror“ begründet, Bush konnte sich als „starken“ Präsidenten profilieren, die Bürgerrechte einschränken und Kriege in Afghanistan und Irak auslösen. Cui bono. Wem nützte der 11. September? Gemäss vieler Verschwörungstheoretiker: der US-Regierung. Alternativ wurden auch Juden für die Anschläge verantwortlich gemacht. So seien „zufälligerweise“ 4000 jüdische Mitarbeiter am 11. September nicht zur Arbeit im WTC erschienen – was sich allerdings als Falschmeldung herausgestellt hat. Juden sollen aber auch deshalb für die Anschläge verantwortlich gewesen sein – da diese in die Strategie einer „jüdischen Weltverschwörung“ zu passen schienen: Juden hätten mit diesen Attentaten Muslime und Christen aufeinanderhetzen wollen, um so später die Weltherrschaft übernehmen zu können. Keine Anschuldigung zu absurd, um nicht als „alternative Möglichkeit“ in Betracht gezogen zu werden. Hauptsache, man findet ein „überzeugendes“ Motiv.

Beispiel Lady Di
Ein durchaus amüsantes Beispiel für das „cui bono“ findet sich rund um den tragischen tödlichen Autounfall von Prinzessin Diana, von Lady Di. Für manche Menschen konnte es einfach nicht sein, dass Lady Di durch einen simplen Autounfall aus dem Leben geschieden sein soll. Da es zudem durchaus zu Ermittlungspannen und Ungereimtheiten gekommen war, liess sich leicht zeigen, dass die „offizielle“ Version angeblich unmöglich stimmen konnte.
Spannend, aber auch regelrecht absurd sind bei diesem Beispiel allerdings vor allem die Spekulationen, was denn alternativ geschehen sein könnte. So glauben manche, dass der Unfall nur inszeniert worden sei und Diana noch lebe und das Leben als „Unbekannte“ geniesse. Andere sehen mehr oder weniger finstere Mächte als Schuldige, welche den Unfall aktiv verursacht hätten: die Landminen-Lobby, da sich Diana gegen Landminen engagiert hatte. Das englische Königshaus, das schon längere Zeit mit Dianas Lebenswandel und der Scheidung von Prinz Charles nicht einverstanden war. Oder die Blumenindustrie, deren Umsätze nach dem Tod explodiert sind. Cui bono…

aber es passt und selektive Auswahl
Natürlich gibt es auch alternative Erklärungen für Ereignisse, die tatsächlich erstaunlich gut passen und die vielleicht auch der Wahrheit näher kommen können als die „offizielle“ Version. Allerdings ist die Realität meist viel chaotischer als man denkt und gelingt es (ausser in Hollywood-Filmen) selten, einen Plan auch wirklich ohne Pannen zu Ende zu bringen. Alternativen von Verschwörungstheorien haftet deshalb oftmals der Makel an, dass sie – zu makellos sind. Alles scheint so gut zu passen, dass es kaum noch realistisch sein kann. Bei solchen „alternativen“ Erklärungen, die allzu gut passen handelt es sich deshalb meist um pure Spekulationen.

Beispiel afghanischer Teppich
Besonders eindrücklich zeigt sich dies in einem Buch von Jean-Charles Wall, das 2014 auf deutsch im renommierten dtv-Verlag veröffentlicht wurde (Die Prophezeiung des afghanischen Teppichs). Jean-Charles Wall hatte 1991 einen afghanischen Teppich in einem Pariser Teppichgeschäft erstanden. 10 Jahre später, kurz nach dem 11. September, hat er den Teppich nochmals etwas genauer betrachtet und festgestellt, dass darauf „eindeutig“ der Anschlag vom 11. September abgebildet sei. 10 Jahre zu früh. Wall beginnt zu recherchieren und findet immer mehr Hinweise darauf, dass es sich beim auf dem Teppich dargestellten Motiv wirklich um eine „Prophezeiung“ handeln müsse. Er spekuliert, dass der Teppich als Kommunikationmittel gedacht worden sei und fälschlicherweise in seine Hände geraten sei. Er lässt Schriftzüge übersetzen, zieht Linien zwischen auffallenden Punkten und wird auch fündig: die Schriftzüge sind undeutlich und die Sprache uneindeutig, sie lassen sich wie folgt übersetzen: „Diese Arbeit ist das Werk von Shain/Moin“. Der gleiche Schriftzug wird von einem anderen Übersetzer wie folgt gedeutet: „Diese Arbeit (der Turm) ist der ältere Hinkende /der höchst Ohnmächtige“. Ein zweiter Schriftzug lautet: „Stadt Istanbul“ oder „Die grosse Kränkung“, ein dritter Schriftzug: „Das Land der Türken“ oder „Symbol des Reichtums“. Da es sich bei der Stadt eindeutig nicht um Istanbul, sondern um New York handelt, schliesst Wall, dass die jeweils zweite Übersetzung korrekt sein müsse. Problematisch ist bloss, dass diese Übersetzung als einzige mit dem „Wissen“ erstellt wurde, dass es sich beim Teppich um eine Prophezeiung handeln könnte. Eine alternative Deutung, die Wall gar nicht in Betracht zieht lautet: der Hersteller des Teppichs hiess Shain oder Moin, er hatte ein Bild von New York als Vorlage verwendet, das aber nicht angeschrieben war, weshalb er annahm, dass es sich um die grösste ihm bekannte Stadt handeln würde, um Istanbul in der Türkei.
Auch die Verbindung von Punkten, die Wall vornimmt sind typisch für die Arbeitsweise von Verschwörungstheoretikern. Obwohl unzählige Linien zwischen auf dem Teppich vorhandenen Motiven gezogen werden können, pickt Wall ein einziges (!) Dreieck heraus, das völlig unwichtig scheinende und nicht einmal eindeutig in einem Zusammenhang stehende Punkte verbindet. Berechnet man allerdings die Winkel dieses Dreiecks und zieht danach die Quersumme, kommt man auf die Zahl „666“ – die Zahl des Teufels. Wall zählt am Ende sogar noch Fenster von abgebildeten Häusern und berechnet daraus wichtige Daten – allerdings ignoriert er viele Häuser oder auch die Zahl der auf dem Bild prominent vorkommenden Autos etc.
Wall hat also eine Theorie, deren Bestätigung er im Teppich sucht. Dabei sucht er angestrengt nach Hinweisen, die seine These stützen und ignoriert sämtliche Gegenhinweise oder alternativ möglichen Deutungen, die viel wahrscheinlicher wären. Es scheint einfach alles zu gut zu passen – und er merkt nicht, dass seine Gedankengänge reine Spekulation sind und einer seriösen Überprüfung längst nicht mehr standhalten.

Das kann doch kein Zufall sein…
Das Herstellen von Zusammenhängen ist eine weitere oft genutzte Struktur. Kann es wirklich Zufall sein, dass der Anschlag vom 11. September, also vom 9/11 wie es auf amerikanisch geschrieben wird der Notrufnummer der USA (911) entspricht? Dass im afghanischen Teppich die „666“ vorkommt? Besonders „hübsch“ in diesem Zusammenhang ist die Verschwörungstheorie rund um Paul Mc Cartneys angeblichen Tod.

Beispiel Paul Mc Cartney is dead
1969 wurde in der Campus-Zeitschrift einer amerikanischen Universität ein Artikel veröffentlicht, in welchem der Autor behauptete, dass Paul Mc Cartney bereits 1966 in einem Autounfall ums Leben gekommen sei. Er sei von einer hübschen Polizistin abgelenkt worden und deshalb bei rot über eine Ampel gefahren. Der Unfall sei so heftig gewesen, dass er völlig entstellt gewesen sei. Da die Beatles aber so erfolgreich gewesen seien, hätte schnell ein „Ersatz“ gefunden werden müssen, was dann auch geschehen sei. Die restlichen Beatles seien zum Schweigen verpflichtet worden, um die Karriere nicht zu gefährden.
Obwohl es sich dabei um einen makabren Scherz gehandelt hatte, wurden Verschwörungstheoretiker schnell fündig. Sie durchforsteten Plattencovers und Liedinhalte und fanden viele mehr oder weniger eindeutige Hinweise auf Pauls Tod. Besonders bekannt wurde das Cover des Albums „Abbey Road“, auf welchem die vier Beatles über einen Zebrastreifen gehen. Dabei fällt auf, dass Paul die Augen geschlossen hat und barfuss läuft – beides Symbole für den Tod. Zudem schreitet Paul als einziger mit dem rechten Bein voran, was ihn aus der „Prozession“ heraushebt. Im Hintergrund sieht man ein schwarzes Auto, das wie ein Krankenwagen oder ein Auto eines Bestattungsinstituts aussieht – was doch kein Zufall sein kann. Erst recht kein Zufall sein kann aber das Kennzeichen eines sich auf dem Cover befindenden geparkten VW Käfers: „LMW28IF“. Eindeutig heisst dies: „Linda Mc Cartney weeps – he would have been 28, if he hadn‘t died. Finden sich aber auf einem Plattencover so viele so unglaublich eindeutige Hinweise auf Pauls Tod – und es gibt noch viele weitere Hinweise an anderen Stellen – dann kann es sich dabei doch nicht um Zufall handeln. Die Meldung der Universitätszeitschrift war offensichtlich kein „Hoax“, kein Scherz, sondern Tatsache, obwohl genau dies behauptet wurde. Die „offizielle“ Version konnte einfach nicht stimmen, also dass Paul noch lebt.

Ignorieren von Gegenargumenten
Was wie beim afghanischen Teppich für Aussenstehende absurd erscheinen mag, birgt für Verschwörungstheoretiker eine unglaubliche Anziehungskraft. Sie suchen überall nach Zusammenhängen, sie suchen überall nach Elementen, welche „nicht so sein können“ oder die nicht zufällig gewesen sein können. Dabei wird wiederum extrem selektiv ausgewählt. Manche Beispiele mögen wirklich nahe liegend sein, andere aber sind völlig an den Haaren herbeigezogen. Jedes auch noch so absurde „Indiz“ wird verwendet, um die eigene Theorie zu stützen oder gegen die „offizielle“ Theorie zu „wettern“. Vor allem aber werden all jene Elemente ignoriert, welche neutral sind oder sogar gegen die Verschwörungstheorie sprechen. Es gibt zwar einige Dinge, die man so lesen kann, dass sie auf Pauls Tod hinweisen – sie sind aber grösstenteils sehr vage und benötigen starke Interpretation. Dass es aber vor allem auch viele Elemente gibt, die nicht auf die Theorie hinweisen oder sogar dagegen sprechen wird ignoriert. Denn natürlich konnten die „verbliebenen“ Beatles nur sehr subtil auf den Tod hinweisen, niemand durfte etwas bemerken. Findet man also nur wenige Hinweise, passt das genauso, wie wenn man sehr viele Hinweise finden würde: dann hätten die „verbliebenen“ Beatles sich einfach über „Vorgaben“ hinweggesetzt.

Beispiel 11. September
Um die Flugzeugattacken vom 11. September ranken sich besonders viele Verschwörungstheorien. So wird beispielsweise mit vielen Argumenten gezeigt, dass die Türme des World Trade Centers unmöglich durch die Flugzeugeinschläge zum Einsturz hätten gebracht werden können. Dabei werden Argumente unterschiedlichster Art verwendet, um zu zeigen, dass die „offizielle“ Version nicht stimmen könne: so hätten Wissenschaftler (die ansonsten zu den „Bösen“ gehören) statische Berechnungen vollzogen, die eindeutig gezeigt hätten, dass die Türme nicht alleine durch die Flugzeugeinschläge hätten einstürzen können. Dies zeigten auch die Baupläne der 70er Jahre, die ebensolches ausschlössen. Auch deute die Art des Einsturzes (das „Zusammensacken der Türme“) eindeutig darauf hin, dass die Türme gesprengt worden seien. Dies lasse sich auch dadurch belegen, dass sich auf Videos des Einsturzes Explosionswolken finden liessen. All dies zeige eindeutig, dass die Türme (durch eine „geheime Macht“) gesprengt worden seien.
Ganz so eindeutig ist dies allerdings nicht. So gibt es durchaus wissenschaftliche Erklärungen, warum die Türme wegen der Flugzeugeinschläge eingestürzt sind: damalige Berechnungsfehler, Materialermüdung, höhere Geschwindigkeit und Masse des Flugzeugs als angenommen etc.
Für manche Verschwörungstheoretiker dürfen die Türme nicht durch die Flugzeuge zum Einsturz gebracht worden sein (vgl. weiter unten „es darf nicht so sein!). Sie gehen so weit, dass sie die Existenz der Flugzeuge schlicht bezweifeln: Fotos und Filme seien gefälscht, es seien gar keine Flugzeuge ins WTC eingeschlagen.
Kaum geleugnet wird allerdings, dass die Türme zum Einsturz gebracht wurden. Waren es keine Flugzeuge, mussten es eben Sprengungen sein. Und in der Tat wurden viel Hinweise für eine Sprengung der Türme gefunden. Dass aber die These, dass die Türme zugleich mit Flugzeugen attackiert und gesprengt wurden wenig Sinn ergibt, wird genauso ignoriert wie dass die „Explosionswolken“ auf viel zu kleine Sprengladungen hindeuten müssten, die niemals zum Einsturz der Türme hätten führen können; oder dass es kaum möglich gewesen wäre, unbemerkt Sprengladungen im WTC genau an den richtigen Stellen „einzuschmuggeln“. Ebenfalls ignoriert wird, dass die gefundenen Hinweise für die Explosionen auch ganz einfach mit dem Einsturz der Türme erklärt werden können: bei den angeblichen Explosionswolken handelte es sich wohl einfach um Druckwolken. Beim Einsturz der Türme entstand Druck, der an bestimmten Stellen in Form von „Wolken“ entwich. Dabei handelte es sich in der Tat um eine Art Explosion, die aber nicht von Sprengstoff herrührte, sondern daher, dass die Luft immer stärker verdichtet wurde, bis beispielsweise Scheiben zerborsten sind.
Beim Angriff auf das Pentagon stehen sich ebenfalls zwei Versionen gegenüber: Verschwörungstheoretiker behaupten aufgrund von Bildern, dass kein Flugzeug ins Pentagon eingeschlagen sein könne. Dann stellt sich allerdings die Frage, wohin die Boeing 757 verschwunden ist, welche gemäss der „offiziellen“ Version ins Pentagon eingeschlagen war. Das Verschwinden eines Flugzeugs scheint zwar seit dem Verschwinden von MH370 nicht mehr ganz unmöglich zu sein, allerdings klafft hier eine Erklärungslücke, welche nur mit weit hergeholten „ad-hoc“ Erklärungen gefüllt werden kann: was ist wahrscheinlicher: dass kein Flugzeug ins Pentagon eingeschlagen und zugleich ein Flugzeug vermisst wird oder dass die Bildanalyse der Verschwörungstheoretiker Fehler enthält? Dass alle 64 Insassen von AA77 an einen „sicheren“ Ort gebracht und wahrscheinlich umgebracht worden sind – oder dass die Flügel der Boeing 757 nachgegeben haben und deshalb die Schneise die Form erhielt, die sie hatte?

Es darf nicht so sein!
Gegenargumente werden oftmals auch deshalb ignoriert, weil für den Verschwörungstheoretiker sehr viel davon abhängt, dass die „offizielle“ Version falsch sein muss. So war Lady Di für viele Menschen eine zu starke, zu „gottähnliche“ Identifikationsfigur, als dass sie auf so banale Art und Weise aus dem Leben hätte scheiden können. Wohl aus dem gleichen Grund sollen auch Marilyn Monroe, Elvis oder – Adolf Hitler noch leben. Für gewisse Menschen ist die Vorstellung unerträglich, dass diese Personen gestorben sein könnten – es darf schlicht nicht so sein – weshalb sie vehement nach Alternativen suchen. Dies kann so weit gehen, dass angenommen wird, dass beispielsweise Hitler die „Jenseits-Diesseits-Raumübersprungsmethode“ beherrsche und deshalb trotz Jahrgang 1889 auch heute noch lebe (Begriff entstammt dem Film Die Mondverschwörung). Das „es darf nicht so sein“-Argument wird besonders gern auch von Kreationisten verwendet, für die die Evolutionstheorie eine direkte Bedrohung darstellt. Denn ist die Evolution eine Tatsache, dann ist der Kreationismus, ist die biblische Schöpfungslehre falsch, was natürlich nicht sein darf. Es zählen nicht die Argumente, sondern die eigene Weltanschauung muss um jeden Preis verteidigt werden.

Beispiel Holocaustleugnung
Aus einem ähnlichen Grund wird auch der Holocaust geleugnet: für manche Personen aus der politisch rechten bis rechtsextremen Ecke ist die Vorstellung unerträglich, dass „ihr“ Adolf Hitler, dass „ihre“ Ideologie zu so etwas Grässlichem fähig gewesen sein soll. Es darf nicht so gewesen sein. „Man“ ist zwar schon gegen Juden, für deren Vertreibung, aber es kann und darf nicht so gewesen sein, dass die „jüdische Rasse“ industriell hätte vernichtet werden sollen. Auch hier beginnt die Argumentation oftmals mit dem „es kann nicht so sein Argument“: so wird etwa behauptet, dass es gar nicht so viele Juden in Deutschland gegeben habe wie „angeblich“ getötet wurden – was allerdings kein Argument gegen den Holocaust an sich wäre und meist „vergessen“ wird, dass Juden aus ganz Europa in die Vernichtungslager getrieben wurden. Oft werden auch pseudowissenschaftliche Argumente verwendet und behauptet, dass der Holocaust technisch unmöglich gewesen sei (Bastian 1997, S. 69-85). Manche gehen auch soweit den Holocaust mit dem „cui bono-Argument“ zu leugnen: Mit der Verbreitung der angeblichen „Holocaust-Lüge“ sei es „den“ Juden gelungen, ihrem „Ziel“ der Weltherrschaft näher zu kommen und ihre grössten Gegner, die „Rechten“ zu schwächen.

Beispiel Leugnung von Viren
Ein weiteres eher skurriles Beispiel spielt sich zurzeit (2014) vor einem deutschen Gericht ab. Der Biologe und Impfgegner Stefan Lanka hatte angeblich auf seiner Website 100‘000 Euro ausgelobt für jene Person, welche den Nachweis erbringen könne, dass das Masernvirus existiere. An dessen Existenz gibt es eigentlich keine ernsthaften Zweifel, aber in gewissen Kreisen wird die Existenz von Viren grundsätzlich in Frage gestellt. So sei Aids „eine überflüssige Erfindung zur Erschließung neuer Märkte für die Chemotherapie“ oder die Vogelgrippe H5N1 eine „Strategie der Geflügelkonzerne, sich in wirtschaftlichen Krisenzeiten auf Kosten der Kleinbetriebe und des Staates zu sanieren“ (de.wikipedia.org/wiki/Stefan_Lanka). Für Lanka dürfen Viren wohl aus weltanschaulichen Gründen nicht existieren, weshalb Alternativen dazu gesucht werden. Spannend daran ist, dass er nicht einen alternativen Wirkmechanismus vorschlägt – sondern Verschwörungen. Zum Gerichtsfall kam es nun, da Lanka von einem Arzt verklagt worden ist, der längst existierende Nachweise für Masernviren gesammelt und Lanka geschickt hatte. Dieser allerdings weigert sich zu zahlen, da er den Beweis nicht anerkennt. Es darf nicht so sein.

Verschwörung als Joker
Die bisher erwähnten Mechanismen treffen für die meisten Verschwörungstheorien zu, sie werden aber auch in vielen anderen Bereichen, wo argumentiert wird verwendet. Sie finden sich beim erwähnten Kreationismus, aber auch immer wieder in der philosophischen oder politischen Debatte. Was Verschwörungstheorien aber wirklich „einzigartig“ macht ist das Postulieren einer – Verschwörung. Die Verschwörung zeichnet sich dadurch aus, dass sie „geheim“ ist. Sie dient als eine Art „Joker“ mit dem Lücken in der eigenen Darstellung gefüllt werden können.
Typischerweise sollen die „Verschwörer“ selbst für das Ereignis verantwortlich sein. Die Bush-Regierung soll den 11. September selbst inszeniert haben, die Mafia oder Fidel Castro sollen die Erschiessung von John F. Kennedy in Auftrag gegeben haben, die Siegermächte sollen den Nazis den Holocaust „in die Schuhe“ geschoben haben. Gemeinsam ist diesen und vielen weiteren Beispielen, dass keine an diesen Verschwörungen beteiligte Person ihr Wissen preisgibt – oder es zumindest nicht bekannt wird. Und da alles geheim bleibt, lässt sich nicht überprüfen, ob die Verschwörungstheorie stimmt, da es sich meist um pure Spekulationen handelt.
Es gibt auch Fälle, wo „Verschwörer“ nicht für das Ereignis verantwortlich sind, aber gleichwohl still schweigen vereinbart haben. So soll Paul Mc Cartney (siehe oben) in einem „ganz normalen“ Autounfall gestorben sein. Die Verschwörung besteht hier darin, dass weder das medizinische Personal noch das Management (das ja einen Paul-Ersatz hätte finden müssen) noch die Beatles noch irgendwer sonst über das Ereignis hätte berichten dürfen. Wobei es sicherlich auch Fälle gibt, wo jemand mit „Insiderwissen“ prahlt, also quasi eine „Verschwörung“ verrät – nur um sich wichtig zu machen, also ohne dass es die Verschwörung wirklich gibt.

Beispiel Bevölkerungskontrolle
Dan Brown hat den Gedanken der „Bevölkerungskontrolle“ als Hautpmotiv in seinem Thriller „Inferno“ verwendet. Ein durchgeknallter Biochemiker will darin ein Virus aussetzen, das einen Drittel der Menschheit unfruchtbar macht. Damit soll der Überbevölkerung der Erde ein Riegel vorgeschoben werden. Während es sich hierbei um reine Fiktion handelt (und wir es offen lassen, ob das Vorhaben auch gelingt…), gibt es verschiedene Verschwörungstheorien, die behaupten, dass verschiedene Gruppierungen auch in der Realität die Menschheit zu dezimieren versuchen.

Beispiel Chemtrails
Wer diese Gruppierungen sind, ist allerdings meist relativ unklar. Besonders oft werden die USA oder die WHO (Weltgesundheitsorganisation) genannt. Eine solche Gruppierung soll beispielsweise mittels „»Chemtrails“ ganze Landstriche vergiften. Chemtrails sollen mit speziellen Chemikalien versetzte Kondensstreifen von Flugzeugen sein. Diese Chemikalien sollen über grosse Gebiete „niederregnen“ und so Menschen unfruchtbar machen oder allmählich vergiften. „Bewiesen“ wird diese Theorie vor allem damit, dass Kondensstreifen früher nicht so langlebig gewesen seien wie heute. Allerdings stellt sich die Frage, warum dann angebliche Chemtrails auch über unbesiedeltem Gebiet zu finden sind oder warum die beigefügten Chemikalien überhaupt die Art der Kondensstreifen beeinflussen sollen. Für die Existenz von Chemtrails (die auch anderen Zielen, zum Beispiel dem Kampf gegen den Klimawandel dienen sollen) gibt es bis heute keinerlei Beweise noch ernsthafte Hinweise. Es ist auch unklar, wer denn die Versetzung des Kerosins mit Chemikalien in Auftrag gegeben haben soll, warum diese Chemikalien nicht restlos verbrannt würden oder wie die Chemikalien in die Flugzeuge gelangen sollten ohne dass dies jemandem auffällt. Es müssten wohl Tausende Menschen in diese Verschwörung involviert sein – was definitiv ausgeschlossen werden kann.

Beispiel Impfungen
Während Chemtrails eher eine „Spinnerei“ sind, gibt es rund um Impfungen tragische Verschwörungstheorien. So war die Kinderlähmung (Polio) dank Impfungen weltweit fast ausgerottet, bis sich immer mehr Impfskeptiker gegen die Impfung wehrten. Begründet wird die Impfverweigerung immer wieder damit, dass bei Impfaktionen „vergiftete“ Impfstoffe verwendet würden. In Pakistan verweigern immer mehr Menschen Impfungen, da damit angeblich muslimische Männer unfruchtbar gemcht werden sollen. Verstärkt wurde diese Skepsis dadurch, dass die USA bei der Jagd auf Osama Bin Laden Impfteams missbraucht haben (»vgl. Spiegel), ein Vorgehen, das an Idiotie kaum noch zu übertreffen ist.
Verschwörungen rund um Impfungen betreffen oftmals auch die WHO (Weltgesundheitsorganisation). So gibt es besonders in Afrika viele Verschwörungstheorien, dass die WHO (oder wer auch immer) mittels Impfkampagnen spezifisch Afrikaner zu vergiften oder zu sterilisieren suche. Manche Verschwörungstheoretiker glauben auch, dass das Aids- oder auch das Ebola-Virus vom Westen „erfunden“ worden sei, um die Bevölkerung in Afrika zu dezimieren. Bei diesen Annahmen handelt es sich in der Regel um pure Spekulationen und sie würden wiederum eine völlig skrupellose, perfekt organisierte und absolut (!) verschwiegene Organisation voraussetzen, wie es sie höchstens in Hollywoodfilmen geben könnte.

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